Über wenige Stücke wird derzeit so viel geschrieben wie über Ayad Akhtars "Geächtet". Wieso das so ist, führt die Grazer Inszenierung nun schlüssig vor. Das kluge Konversationsstück über Assimilationsdruck, Vorurteile, enge Welthaltungen kleidet Regisseur Volker Hesse in eine hoch künstliche und dabei emotional packende Inszenierung.
Amir Kapoor ist ein erfolgreicher New Yorker Wirtschaftsanwalt mit Aussicht auf baldige Beförderung. Die allerdings zerplatzt, als ruchbar wird, dass Amir - auf Bitte seiner Künstlergattin Emily - einen möglicherweise radikalen Imam vor Gericht unterstützt hat. Denn Amir hat aus innerer Überzeugung einst dem Islam abgeschworen und der Karriere zuliebe auch gleich seinen Namen entmuslimisiert. Das fällt ihm nun auf den Kopf - bei einem Abendessen, das Amir und Emily für den jüdischen Kunstkurator Isaac und dessen afroamerikanische Frau Jory geben. Eine unbedachte Äußerung Amirs, die als Unterstützung islamistischen Terrors ausgelegt werden kann, bringt das Tischgespräch zum Kippen. Als sich dann auch noch herausstellt, dass sich Emily eine Affäre mit Isaac gönnte und Jory als Amirs Bürokollegin einen Job bekommt, auf den er seit Jahren hingearbeitet hat, eskaliert die Situation.
Die ganz im Stil antiker griechischer Tragödien angelegte düstere Unabänderlichkeit, mit der Akhtar in seinem raffiniert gebauten Konversationsstück die Hauptfigur Amir ins Unglück schickt, fasst Regisseur Volker Hesse in einen weißen Guckkasten (Bühne und Kostüme: Stephan Mannteuffel), den er sowohl horizontal als auch vertikal bespielen lässt. Ein Effekt, der sich durch flächendeckende Videoprojektionen noch verstärkt. Wie Versuchstiere huschen und klettern die Protagonisten durch diesen Bühnenraum und finden doch keine Konstellation, in der ein echtes Gespräch stattfinden kann: zu gefangen sind sie alle in den eigenen Welthaltungen und Rollenbildern, am Ende versteht man beinahe Amirs Neffen Hussein, der sich vom Westen geächtet fühlt: "Und jetzt tun sie so, als würden sie unseren Zorn nicht verstehen."
Bemerkenswertes leistet das fünfköpfige Schauspielerteam: Benedikt Greiner ist als überanpassungsbereiter Amir ein hinreißender Angstbeißer, Evamaria Salcher eine selbstbewusste Verführerin Emily, die glaubt, dass ihr die Welt gehört. Florian Köhler legt als Isaac als vielschichtige Kuratorenkarikatur an, Mercy Dorcas Otieno gibt die kühle Aufsteigerin, Pascal Goffin berührt als zornbebender Hussein. Langer Applaus. Sollte sich das Stück als der langersehnte Publikumserfolg für das Haus erweisen: verdient wäre er.
Ute Baumhackl