Freunde des Humors von Michael Mittermeier (50) dürfen sich freuen: Am Donnerstagabend tritt der Oberbayer mit seinem Programm "Wild" in der Grazer Stadthalle, am Freitag sowie am 21. Oktober sitzt er in der Runde von "Was gibt es Neues?" im ORF und kürzlich ist auch sein neues Buch "Die Welt für Anfänger" erschienen. Im Interview hat Mittermeier nicht nur ein paar Wuchteln parat, er schildert auch seine Erfahrungen mit Angriffen von rechts und er steht zu seiner Reaktion auf ein fragwürdiges Posting von Mario Barth.
Herr Mittermeier, haben Sie eine Erklärung dafür, warum sich „Was gibt es Neues“ in Österreich seit 2004 ungebrochener Beliebtheit erfreut und das deutsche Pendant „Genial daneben“ schon 2011 ausgelaufen ist?
MICHAEL MITTERMEIER: Weil es eine unfassbar leiwande Sendung ist. Die österreichische Version war immer die entspanntere. Ich war schon öfter mit dabei und es macht irrsinnigen Spaß. Das Schöne ist, niemand kämpft gegen den anderen, es ist ein großes Miteinander. Und das Publikum sieht es uns offenbar allen an, dass wir richtig Spaß haben.
Wie unvorbereitet gehen Sie in „Was gibt es Neues“?
MITTERMEIER: Am besten ist es so unvorbereitet zu sein, als hätte man sein Gehirn entleert.
Fällt Ihnen so etwas schwer?
MITTERMEIER: Das kann ich gut! Meinem Hirn zu sagen „So, jetzt hast frei. Nach der Sendung können wir wieder miteinander quatschen.“ So ist es am schönsten. Kopf ausschalten, dafür Herz und Bauch ein.
In Österreich hat ein Profisportler einmal behauptet, in seiner Branche sei derjenige erfolgreicher, der sein Hirn ausschaltet. Das kam nicht so gut an.
MITTERMEIER: Viele verstehen die Bedeutung nicht. Natürlich muss man ein gewisses Wissen und Geschick haben, um auf der Bühne nicht wie ein Depp herumzulaufen. Aber es ist schon gut, wenn man aus dem Gefühl heraus agieren kann und der Kopf nicht immer gleich sagt: „Ich muss Erster werden!“ Schreibe ich ein Buch, denke ich auch nicht ständig daran, welche Pointe setze ich wo. Dann wird es nicht lustig, sondern verkopft.
Sie stehen seit 29 Jahren auf der Bühne und ich nehme an, ihre Fans kommen gerne und regelmäßig in Ihre Programme. Warum sollte Sie jemand ansehen, der Ihren Humor bislang nicht kennt?
MITTERMEIER: Ich glaube, wenn jemand offen ist für gute Stand-Up-Comedy, dann ist er bei mir ganz gut aufgehoben. Das sage ich ganz selbstbewusst. Es kommen auch immer Neue, also muss die Qualität passen. Und das neue Programm ist sauwild, vogel-wild, bist-du-deppert-wild. Wer es wild will, soll kommen.
Die Welt bietet immer mehr Themen und sie sind alle auch so leicht verfügbar wie nie zuvor. Fällt es ihnen immer leichter ein Programm zu basteln?
MITTERMEIER: Schwerer wird es nicht, wirklich eher leichter. Der Hauptgrund ist, man hat sich selbst angezapft. Geh ich etwa spazieren und sehe etwas oder mir fällt etwas ein, kann ich es sofort verarbeiten. Nehmen wir eure Bundespräsidentenwahl, bei denen der Kleber von den Wahlkuverts nicht hält. Dann sitze ich da und denke mir: Bist du deppert! Wenn ich eure Autobahnvignette von meiner Scheibe lösen will, muss ich die aus dem Auto fräsen, um sie wieder loszuwerden. Ein Vorschlaghammer geht gerade noch so. Und dann wollt ihr mir erzählen, ihr könnt keine Kuverts zukleben? Entschuldige! Da ist doch die Tesa-Verschwörung am Start.
So hat das noch keiner analysiert.
MITTERMEIER: Am besten ihr macht beide zum Bundespräsidenten. Dann habt ihr Statler und Waldorf, die streiten sich die ganze Zeit. Der eine ist eher der Nikolaus, der andere der Krampus.
Wer ist der Nikolaus?
MITTERMEIER: Natürlich der Van der Bellen, das ist schon der Nettere.
Sie beklagten Anfang des Jahres das Erstarken einer rechten Partei in Deutschland. In Österreich ist die FPÖ seit vielen Jahren eine Großpartei.
MITTERMEIER: Das liegt an der anderen Geschichtsaufarbeitung in Deutschland. Mir geht es gar nicht so sehr um Rechts, sondern was ich schlimm finde, ist der Hass in der Sprache. Sobald ich meine Meinung sage, bin ich ein Volksverräter oder eine Drecksau. Auf der Bühne habe ich auch eine Nummer über die ISIS gemacht und ich bekomme trotzdem mehr Mordaufrufe von den Rechten als aus anderen Richtungen.
Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus? Keine Witze über ISIS? Rückzug aus dem Internet? Oder gar keine?
MITTERMEIER: Es gibt keine Konsequenz, weil sie keinen Zugriff auf mich haben. Soll ich etwas ändern, weil in Deutschland ein paar mehr Rechte herumlaufen? Wer bin ich denn? Ich bin seit 29 Jahren auf Tour und die Burschen können mir keine Angst machen. Wenn sie mich beschimpfen wollen, dann sollen sie das weiter machen, dann haben sie eine kleine Projektionsfläche.
Aber Angst haben Sie keine?
MITTERMEIER: Wirklich nicht. Ich steige ja auch angstfrei ins Auto und das ist um ein Vielfaches gefährlicher. Ich bin gegen das Einkasteln und das Bauen von Zäunen oder Mauern. Grade als Deutscher sage ich: Mauern haben noch nichts gelöst.
In den USA gibt es die gleichen Tendenzen der Abgrenzung.
MITTERMEIER: Ich mag Hillary Clinton auch nicht, aber mit Donald Trump einen Mann zu wählen, der nachweislich fast ausschließlich lügt, also Entschuldigung. Ich wähle lieber einen Hund als Trump und ganz ehrlich: Wir wären sicherer. Wenn Trump allerdings die Wahl gewinnt, wäre er der erste US-Präsident mit einer toten Katze auf dem Kopf.
Auf Mario Barths fragwürdiges Posting am Tag des Amoklaufes von München reagierten sie deutlich und unterstellten ihm „Fan-Fischen am billigen Rand“. Auch rückblickend ein richtiger Schritt?
MITTERMEIER: Ich habe mich damit vor allem gegen die Verdrehung der Sprache gewendet. Sätze wie "Ich bin kein Nazi, nur weil ich mir Sorgen mache" sind immer die Rechtfertigung von den Rechten bzw. der AfD. Ich mach mir auch Sorgen um Deutschland, nur auf andere Weise. Außerdem glaube ich, dass uns das Humanitäre schon mal ganz gut steht. Dass wir natürlich nicht alle reinlassen können, die da kommen, ist ja logisch. Ich bin ja kein total verblendeter Linker. In den Reaktionen auf mein Posting, in dem ich übrigens niemanden beleidigt habe, waren Wichser, Arschloch, linker Volksverräter noch die Netten. Auch da folgten Mordaufrufe und Vergewaltigungsfantasien über meine Familie. Wenn ein harmloses Posting über Haltung gegenüber Rechts solche Kreise zieht, war er an der richtigen Stelle. Im Einstecken sind die Rechten richtige Memmen.
Christoph Steiner