Ah! Ich habe deinen Mund geküsst . . .“, singt sie am Schluss mit verklärtem Blick und blutverschmiertem Gesicht und klammert sich dabei an den toten Jochanaan, der mit aufgeschlitzter Kehle auf dem Sofa liegt: Es sind drastische Bilder, mit denen Richard Strauss „Salome“ am Stadttheater Klagenfurt beeindruckt. Die Inszenierung der heurigen Eröffnungspremiere wurde Michael Sturminger anvertraut. Nach anfänglich verhaltener Statik nimmt seine ungemein präzise und detailreiche Inszenierung dieses biblischen Stoffes Fahrt auf und steigert sich zu einem immer packender werdenden, eiskalten Thriller.

Kühle Kulisse

Dazu bei trägt die kühle, unpersönliche Kulisse eines transparenten Palastes, der aus Eisenelementen, Gitter und Glas besteht, was unwillkürlich die Assoziation eines Gefängnisses entstehen lässt (Ausstattung: Andreas Donhauser und Renate Martin). Hier agiert die „feine“ Hofgesellschaft. Die gerne und zuvor (zu) häufig eingesetzte Drehbühne beginnt regelrecht zu rotieren, als Salome auf die Hinrichtung des Johanaan wartet – eine Szene, die durch ein auf die Bühne projiziertes Spinnennetz Gruselcharakter erreicht. Ungewöhnlich Salomes Tanz, bei dem die Titelheldin kaum tanzt, sondern immer wieder angewidert aufhört, während Herodes sich auszieht – was letztlich im Beischlaf der beiden endet. Am Schluss kann Sturminger nicht widerstehen und lässt alle von Terroristen, die zuvor schon im Palast als verkleidete Nazarener anwesend waren, erschießen.

Profiliert

Michael Kupfer-Radecky füllt die Rolle des Jochanaan textverständlich mit mächtigem Bariton und enormer Bühnenpräsenz aus. Er ist ein fundamentalistischer Prediger, vor dem man sich fürchten muss. Jörg Schneider gibt dem zwischen Ängsten, Eidestreue, Ekel und Lüsternheit hin- und hergerissenen Herodes ein starkes Profil. Ursula Hesse von den Steinen singt die Herodias überzeugend. Mathias Frey ist ein schönstimmiger Narraboth. Adäquat besetzt sind auch die vielen kleinen Rollen.
Und die Titelheldin? Anna Gabler kann mit fein nuancierten, einschmeichelnden Tönen in den Piani punkten. Sie verkörpert glaubwürdig die trotzige wie auch laszive Kindsfrau und hat eine starke erotische Ausstrahlung. Sie stößt mit dieser fordernden Partie aber immer wieder auch an die stimmlichen Grenzen ihres nicht allzu großen Soprans.
Und das, obwohl das Kärntner Sinfonieorchester unter dem scheidenden Chef Alexander Soddy immer sängerfreundlich und ungemein transparent musiziert. Soddy bevorzugt zügige Tempi, im Schleiertanz wird er aber gar zu forsch. Effektvolle Steigerungen und schneidende Klänge fahren immer wieder aus dem tiefer gesetzten Graben auf. Die vielen farbenreichen Facetten und starken Emotionen der überwältigenden Partitur werden voll ausgekostet.
Stehende Ovationen des gesamten Publikums!

Ursula Hesse von den Steinen, Jörg Schneider
Ursula Hesse von den Steinen, Jörg Schneider © Aljoša Rebolj