Mit dem eigenbrötlerischen und zynischen Detective Sean Duffy als Protagonisten schuf Adrian McKinty Schlüsselwerke über den einstigen IRA-Terror in Irland, aufschlussreicher als so manches Sachbuch. Die Krimis bekamen rasch Kultstatus, aber die Auflagezahlen blieben nach Angaben des Autors weit hinter den Erwartungen. Nun will McKinty, der seinen Wohnsitz von Irland nach Kanada verlegte, in Nordamerika groß auftrumpfen, erheblich reißerischer. Denn sein thematischer Frontenwechsel lässt an Grausamkeit nichts zu wünschen übrig. „The Chain“ („Die Kette“) handelt von Kindesentführungen im Serienmodus.
Das systematisch von einer Bande gesteuerte Prinzip ist simpel, durchaus angelehnt an die Kettenbriefe. Erst wird ein Kind entführt, dann werden die Eltern kontaktiert. Die Lösegeld-Forderung ist relativ gering, aber die zweite Bedingung hat es in sich. Denn die betroffenen Eltern müssen ihrerseits auch ein Kind entführen, der entsetzliche Modus wiederholt sich. Kontaktaufnahme mit den nun betroffenen Eltern, Lösegeldforderung (die Zahlungen landen auf den Konten der Bande) samt Aufforderung zu einem neuerlichen Kidnapping.
Gewissensfrage
Natürlich wird jeder Schritt der Betroffenen überwacht, inklusive Morddrohung, sollten diese die Polizei benachrichtigen. Es ist ein Horror-Szenario, das Adrian McKinty, albtraumhaft und erbarmungslos. Verbunden mit einer zutiefst moralischen Frage: Zu welchen Taten wären Eltern bereit, um ihr eigenes Kind zu retten? Und mit dieser Frage legt McKinty auch seiner Leserschaft eine unsichtbare Kette um den Hals. Harte Kost, zweifellos, aber ein angepeiltes Ziel hat der „abtrünnige“ Ire schon jetzt erreicht – in den USA ist sein Krimi ein Top-Bestseller mit entsprechender Auflagenzahl.
Lesetipp: Adrian McKinty. The Chain. Knaur, 352 Seiten, 15,50 Euro.
Werner Krause