Weit herum kommt man in den Romanen von Dave Eggers. So landet sein Protagonist in „Ein Hologramm für den König“ in der Wüste von Saudi-Arabien, wo ein völlig absurder Auftrag in die Tat umgesetzt werden soll. „Der Mönch von Mokka“ wiederum ist eine faszinierende, spannende kulturhistorische Erdumrundung, als Transportmittel dient eine Kaffeebohne.
Sein jüngster Roman, „Die Parade“, führt in ein namentlich nicht genanntes Staatengebilde irgendwo in Asien. Analogien zu Nord- und Südkorea sind unverkennbar, allerdings spiegelverkehrt. Der Norden ist mit Reichtum gesegnet, der Süden liegt nach etlichen Jahren grauenhafter Bürgerkriege völlig darnieder. Als endlich halbwegs die Restvernunft siegt und die Waffen schweigen, erhält eine Baufirma den Auftrag, eine 230 Kilometer lange Straße zu asphaltieren, um die abgeschotteten Provinzdörfer besser mit der Hauptstadt zu verbinden und dadurch auch den wirtschaftlichen Neustart zu beschleunigen.
Zwei ausländische Straßenarbeiter, die charakterlich konträrer nicht sein könnten, bekommen den Job. Auf Anordnung der reichlich diktatorischen Firma dürfen sie ihre wahren Namen nicht nennen, um auch dadurch größtmögliche zwischenmenschliche Distanz zu schaffen. Der eine, überaus korrekt und pflichtbewusst, heißt Vier. Er bedient die riesige Asphaltier-Maschine. Der andere, Nummer Neun, enorm lebensfreudig und unternehmungslustig, soll mit einem Quad täglich vorausfahren, die Schotterstraße von allfälligen Hindernissen befreien oder allzu neugierige Dorfbewohner verscheuchen.
Die Geschichte beginnt trügerisch harmlos, abgesehen von den Zwistigkeiten zwischen dem ungleichen Duo. Aber stets ist da ein Hintergrundrauschen, das Kilometer für Kilometer, Seite für Seite, bedrohlicher wird. Aufständische treiben sich noch immer herum, in der Fremde wächst nicht nur die Verlorenheit, sondern auch das ständige Wissen und die Furcht, mit einem falschen Schritt eine Kettenreaktion auszulösen.
Nach spätestens zwölf Tagen soll und muss die Straße fertig sein, denn dann soll mit einer großen Parade der Wiederaufschwung gefeiert werden. Stattdessen nimmt, realitätsnah und dramatisch, eine Fahrt in die Finsternis ihren unaufhaltsamen Lauf. Mit David Eggers „Die Parade“ feiert der Existenzialismus seine brisante, zeitnahe Wiederkehr; der erste, der anerkennend salutieren würde, wäre wohl Albert Camus. Ein herausragendes Werk, brodelnder als der Asphalt, über die Abgründe der Globalisierung, zu deren vehementesten Gegnern Eggers seit etlichen Jahren auch durch zahlreiche Initiativen jenseits der Literatur zählt.
Werner Krause