Er schreibt noch immer jeden Tag. In seinem 90. Lebensjahr hat Ivan Ivanji je ein neues Buch auf Serbisch und Deutsch veröffentlicht. Ob sein Roman "Tod in Monte Carlo", den der Autor heute Abend (29. Jänner), in Wien vorstellt, auch in Serbien erscheinen wird, weiß er noch nicht. "Wenn, werde ich ihn aber wie meine anderen Bücher nicht einfach übersetzen, sondern in der anderen Sprache neu schreiben."
Wer dem agilen Intellektuellen gegenübersitzt, kann kaum glauben, dass er vor wenigen Tagen in Belgrad seinen 90. Geburtstag gefeiert hat. Die offizielle Feier, die dem KZ-Überlebenden u.a. von der Gedenkstätte Buchenwald ausgerichtet wurde, habe mit ihren vielen lobenden Reden eher dem Gedenken an einen Verstorbenen geglichen, schmunzelt Ivanji im APA-Interview. "Ich musste brav dasitzen und ein nettes Gesicht machen." Nur brav dazusitzen ist freilich nicht sein Naturell. "Natürlich melde ich mich zu Wort, wenn ich etwas sagen will. Aber man muss wissen, was der richtige Ort dafür ist."
Wohl niemand wird Ivan Ivanji die moralische Autorität absprechen können, seine mahnende Stimme zu erheben. Der in der Vojvodina geborene Sohn einer jüdischen Ärztefamilie kam als 15-Jähriger nach Auschwitz und wurde erst bei Kriegsende aus dem Konzentrationslager Buchenwald befreit. Später musste er miterleben, dass der im Jugoslawien Titos gelebte Traum des friedlichen Zusammenlebens von Völkern und Religionen blutig zerstört wurde. "Ich habe lange geglaubt, dass Nationalismus eine Sache der alten Leute ist. Wir Jungen waren ja Internationalisten", erinnert sich Ivanji. "Aber ich denke, Tito sah, was auf uns zukommt. Er wusste aber nicht, was er dagegen tun konnte. Je älter er wurde, desto pessimistischer wurde er."
Als Titos Dolmetscher kannte Ivanji den Staatsmann gut. "Ich war zwar nie bei ihm im Dienst, wurde aber immer gerufen, wenn er Politiker wie Bruno Kreisky, Willy Brandt oder Walter Ulbricht getroffen hat." Nach den ersten, noch stalinistisch gefärbten Jahren habe er in Jugoslawien eine Zeit des Optimismus und des Aufbruchs erlebt. "Man hat sich als Sieger gefühlt, auch wenn man selbst nichts zum Sieg beigetragen hat. Wir haben an Blockfreiheit und Selbstverwaltung geglaubt. Für jene, die nicht enteignet wurden, waren es ziemlich gute Jahre. Es ging aufwärts. Pessimist bin ich erst im Alter geworden. Das Gute am Pessimisten ist ja: Er kann sich gelegentlich auch freuen. Der Optimist dagegen wird ständig enttäuscht."
Seinen Pessimismus sieht Ivanji derzeit gut unterfüttert. "Im Augenblick wird man in der Welt nicht richtig froh, nicht nur in Serbien, wo es allerdings besonders schlimm ist. Auch in Österreich bin ich nicht sehr froh mit der jetzigen Regierung, die, fürchte ich, wohl auch die nächste sein dürfte." Putin und Trump sieht er ebenso skeptisch wie die Zukunft der EU angesichts von Brexit und Isolationskurs der Visegrad-Staaten: "Was wird im Herbst von der EU noch übrig sein?" Für nahezu alle Demokratien gelte: "Die Bevölkerung mag die Parteien nicht mehr. Es wird einen neuen Aufbruch geben müssen. Vielleicht mit einer neuen Art von Selbstverwaltung."
Das Fazit seines Lebens angesichts vielfach erlebter Schrecken lautet nüchtern: "Der Mensch verändert sich nicht. Er bleibt derselbe." Wenn er an historischen Romanen schreibe - besonders stolz ist er auf seine Trilogie über die römischen Kaiser Diokletian, Konstantin (vor zwei Jahren im Wieser Verlag neu aufgelegt) und Julian -, komme ihm immer auch die Gegenwart in den Sinn, sagt Ivan Ivanji und setzt trocken nach: "Es gibt allerdings auch nette Menschen."
Sich selbst bezeichnet der 90-Jährige, der Architektur und Germanistik studierte und als Diplomat, Lehrer, Theaterintendant und Journalist tätig war, als "Skribomanen", als Schreibwütigen. Nicht alles sei dabei autobiografisch gespeist, neben seinen historischen Romanen habe er auch Krimis geschrieben. An Ideen mangle es ihm keineswegs: "Ich habe noch einige Pfeile im Köcher." Natürlich arbeitet er bereits an seinem nächsten Buch. Diesmal schreibt er es auf Serbisch. Es geht um Abrahams Sohn Ismael mit der Magd Hagar. Die beiden werden nach der Geburt Isaaks in die Wüste geschickt - quasi der Beginn des Konflikts zwischen Israelis und Arabern. Bei Ivan Ivanji darf man sicher sein, dass dieser Aspekt wohl nicht zu kurz kommen wird.
Ivan Ivanji. Tod in Monte Carlo. Roman. Picus-Verlag, 178 Seiten, 20 Euro.
Wolfgang Huber-Lang/APA