„So klingt unsere Geschichte also, wenn die Leute sie sich erzählen? Ich bin das Biest, und du der Heilige.“ Yejide betrügt ihren Mann Akin mit seinem Bruder Dotun, inflagranti inklusive. So weit, so schlecht. Zunächst erscheint die Rollenverteilung der Hauptprotagonistin selbst eindeutig, und mutet auch für den Leser so an. Ayọ̀bámi Adébáyọ̀s Debütroman wäre aber wohl kein derart vielgepriesener, käme da nicht noch mehr, so vieles mehr. Allein schon die Frage: Wer ist bei diesem Verrat nun wirklich der Verräter, wer der Verratene?

Die Nigerianerin, die in Großbritannien unter anderem bei Margaret Atwood Englische Literatur und Kreatives Schreiben studierte, entfaltet einen derartig unerwarteten Spannungsbogen, dass sich nahezu seitenweise das Blatt der Handlung wendet, sobald man seine Buchseite wendet. Es ist eine mächtiges Potpourri von Verrat, Verlust, Trauer und Liebe, das die 1988 in Lagos Geborene im Nigeria der 1980er und 1990er entspinnt. Aber an den Beginn setzt Ayọ̀bámi Adébáyọ̀s sowieso einmal die Liebe, eine große, unbändige noch dazu. Denn Yejide und Akin entscheiden sich für etwas ganz und gar Ungewöhnliches, zumindest für jenen Kulturkreis, in dem die Handlung angesiedelt ist: die Monogamie.

Viele Prüfungen

So weit, so schön. Doch dann tritt das ein, was Yejides verstorbener Vater ihr sprichwörtlich immer und immer wieder sagte: „Oro ife bi adanwo ni“ („Die Liebe ist wie eine Prüfung“). Und Prüfungen mutet die Autorin ihren beiden Protagonisten dann wahrlich viele zu, lässt sie kapitelweise alternierend und anachronistisch in der Ich-Perspektive davon erzählen: jahrelange Kinderlosigkeit, dadurch bedingte Druckausübung durch die Schwiegermutter, einengende und sexistische Rollenvorstellungen der Verwandten, gleich zwei Kinder, die nicht bleiben, sondern gehen ...

Und dennoch ist es kein Buch, das einen am Ende mit einem bleiernen Gefühl der Schwere, sondern mit der Leichtigkeit der Hoffnung entlässt. Und das ist ganz und gar Ayọ̀bámi Adébáyọ̀s Art des Schreibens zuzuschreiben. Einzig beim Einflechten der politischen Entwicklungen in ihrem Heimatland zu jener Zeit, in der die Handlung angesiedelt ist, hat die Autorin es wohl etwas zu gut gemeint. Diesen Aspekt hätte die an sich schon so dichte Geschichte nicht gebraucht.

Fabulös formulieren

Aber wenn dann wieder Sätze folgen wie dieser: „Wenn die Last zu groß ist, zu groß über eine lange Zeit, knickt selbst die Liebe ein, bekommt Risse, droht zu zerbrechen und zerbricht manchmal. Aber auch wenn sie in tausend Scherben verstreut um unsere Füße liegt, ist es noch immer Liebe.“ Dann denkt man sich: Wer so fabulös über die traurigen Facetten dieses Themas zu formulieren vermag, dem wünscht man die Liebe nicht ohne Leiden, sondern mit vielen – zumindest auf Buchseiten.

Ayọ̀bámi Adébáyọ̀. Bleib bei mir. Piper, 352 Seiten, 22,70 Euro.

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