Für Ihre neue Produktion „The Impossible Vastness“ haben Sie mit drei Frauen aus Mazedonien, Ungarn und Österreich eine Recherchereise von Griechenland bis nach Wien entlang der Flüchtlingsroute unternommen. Im Text heißt es: „Die Landschaft als ein Relief unserer Ideologie, so, wie wir in der Landschaft stehen, stehen wir auch in unserem eigenen Land.“ Wie sehen Sie die politische Landschaft in Österreich aktuell?

CHRISTIAN WINKLER: Im Gegensatz zu Amerika hat die europäische Kultur und Landschaft ausgemacht, dass Orte stets fußläufig miteinander verbunden waren. Und jetzt? Nicht nur in Österreich, auch in vielen anderen Ländern in Europa hat man beim Durchfahren das Gefühl, dass die Leute immer mehr zumachen und dass sich dieses Abschotten in der Landschaft abbildet: Neue Grenzen werden gezogen, und plötzlich werden wieder Pässe kontrolliert, selbst innerhalb der EU.

Was verändert sich dadurch?

CHRISTIAN WINKLER: Im Stück erzählt eine Frau, dass sie früher von Mazedonien aus nach Griechenland zum Schwammerlsuchen ging. Plötzlich waren da Frontex-Männer. Dort fingen die neuen Grenzziehungen an. Wir haben auch Flüchtlingscamps und Auffanglager besucht, sofern das noch möglich war. Teilweise sind nur noch wenige Leute in den Camps, die für Tausende angelegt waren. Das hat eine eigenartige, fast schon dystopische Atmosphäre. Es ist tatsächlich so, dass sich die Landschaft und die Perspektive darauf verändert. Dass Grenzen plötzlich anders wahrgenommen werden. Und Grenzen sind ja immer nur eine Linie auf der Karte. Es ist auch in der Wahrnehmung falsch, dass es die nun geschlossene Balkan-Route nicht mehr gäbe.


Die Performance wird nun im Grazer Theater am Lend auf Deutsch, Englisch, Italienisch, Mazedonisch und Ungarisch aufgeführt. Ist die Vielsprachigkeit eure Antwort auf das Abkapseln?

CHRISTIAN WINKLER: Dass wir als Gruppe in dieser internationalen Selbstverständlichkeit und Zusammensetzung zusammenarbeiten, auf jeden Fall. Es sind nicht nur diese drei Frauen, die sich auf der Bühne auf eine Reise begeben, sondern insgesamt acht verschiedene Menschen aus verschiedenen Kontexten und Kulturkreisen. Der Text ist stark von der Recherche beeinflusst, aber er ist fiktiv. Er wird zum Beispiel mit Interviews und Filmsequenzen erweitert.

Als Österreich der EU beigetreten ist, waren Sie 14 Jahre alt. Wie sehr hat Sie das geprägt?

CHRISTIAN WINKLER: Sehr! Man hat sich auf das Gemeinsame geeinigt, auf offene Grenzen und darauf, dass man eine Währung hat. Nun stachelt der Populismus das Auseinanderdividieren wieder an: zwischen Österreich und Europa. Das ist wie die Erschütterung dieser Idee.

2007 war Ihr allererstes Stück zu sehen. Nach zehn Jahren im Theaterbetrieb: Wie lautet Ihre bisherige Bilanz?

CHRISTIAN WINKLER: Es gibt keine Erschöpfung. Ich verspüre ein ziemliches Wollen, eine große Energie. Und ich habe viele neue Ideen und Projekte im Kopf.

Ist die Recherche dabei immer Ausgangspunkt?

CHRISTIAN WINKLER: Ich trenne zwischen Texten von Franz von Strolchen – das ist das Pseudonym, unter dem die Gruppe mit wechselnden Mitgliedern agiert – und Texten von Christian Winkler. Bei Ersterem hat es wie ein Mission Statement immer mit Recherche zu tun. Wir waren in Indien, in der Ukraine oder in Mazedonien. Ich habe Lust dazu, Dinge zu erfahren, die man nicht übers Internet lernen kann.

Ihre Pläne für 2018?

CHRISTIAN WINKLER: Es gibt eine Koproduktion mit dem Luzerner Theater, viele Gastspiele stehen an, und ich arbeite am ersten Roman. Zur letzten Arbeit „Digging“ kommt in Mazedonien ein Film ins Kino.