Ohne Preisträger ist heute, Freitag, in Salzburg der Österreichische Staatspreis für europäische Literatur verliehen worden. Der norwegische Autor Karl Ove Knausgard (48) musste aus familiären Gründen absagen. Die Leiterin des Luchterhand-Verlags, Regina Kammerer, nahm stellvertretend den Preis entgegen und verlas seine Dankesrede, in der er Österreich als "literarische Großmacht" würdigte.

Vorbilder Bernhard und Handke

"Anders kann ich ein Land nicht bezeichnen, aus dem Autoren wie Sigmund Freud, Robert Musil, Hermann Broch, Georg Trakl, Ingeborg Bachmann, Thomas Bernhard und Peter Handke stammen", so Knausgard. Er habe als junger Mann Bernhard gelesen, ihn bewundert und ihm wie andere Kollegen als Autor nachgeeifert - was sich aber als unmöglich, ja unsinnig herausgestellt habe: "Die Texte gerieten leblos, und sie klangen falsch." Auch Peter Handkes Werk sei "ebenso eigenwillig und kompromisslos wie das von Bernhard". Eine zentrale Rolle spiele "die ambivalente Rolle der Sprache, ihre verräterische Doppeldeutigkeit - die Welt wird durch Sprache erschaffen und wir mit ihr verbunden, gleichzeitig hält die Sprache uns jedoch auch auf Distanz zu ihr."

Die Verlockungen der Literatur

"Vieles lässt sich über die sechs Bücher sagen, die ich über mich selbst und mein Leben geschrieben habe, unter anderem, dass ich vielen Verlockungen der Literatur nachgegeben habe, aber eins ist sicher: ohne Schriftsteller wie Duras, Kundera, Rushdie, Lessing, Eco, Christensen, Calvino, Bachmann, Bernhard und Handke hätten sie niemals geschrieben werden können", verwies Knausgard auf die hochkarätige Liste bisheriger Preisträger. "Die Literatur formt uns nicht, aber sie gibt dem in uns und in unserer Welt eine Sprache, was ansonsten sprachlos und für uns unsichtbar geblieben wäre. Wenn das Leben wie ein Gang ist, sind die Bücher wie Fenster, die uns bei zunehmender Dunkelheit zu Spiegeln werden."

Knausgard gehöre zweifelsfrei zu den großen Autoren seiner Generation, sagte Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ) in seiner Begrüßung. Das kürzlich fertiggestellte sechsbändige Werk "Min kamp" bezeichnete Drozda als "gigantisches Projekt der Selbsterfahrung und Selbstenthüllung." So eine Aufrichtigkeit bedürfe größten Mutes.

Laudatio

Literaturkritiker Anton Thuswaldner, Mitglied der fünfköpfigen Jury, hielt die Laudatio auf den Preisträger. "Er möchte, dass seinen Lesern ein Licht aufgeht, kein Geringeres als das Licht der Aufklärung", sagte Thuswaldner. Knausgard bestehe "auf seinem Normalleben mit all seinen Verwerfungen, Ungereimtheiten und Fragwürdigkeiten". Handlungsanweisungen für die Politik ließen sich daraus nicht ableiten. Dennoch sei das Werk politisch im Sinn einer kritischen Sichtung der letzten Jahrzehnte. "Karl Ove Knausgard hat die Romane für das Verständnis unserer Zeit geschrieben. Und so wie es aussieht, haben sie das Zeug zum Klassiker", schloss Thuswaldner.

Der Österreichische Staatspreis für europäische Literatur ist mit 25.000 Euro dotiert und wird für das literarische Gesamtwerk eines europäischen Autors verliehen. Zuletzt erhielten ihn der polnische Schriftsteller Andrzej Stasiuk (2016), der rumänische Autor Mircea Cartarescu (2015), die Russin Ljudmila Ulitzkaja (2014) und der irische Autor John Banville (2013).