Der österreichischen Literatur steht eine starke zweite Jahreshälfte ins Haus: Für den Literaturherbst, der bereits im Sommer beginnt, sind neue Bücher von Literaturgranden wie Peter Handke, Daniel Kehlmann und Gerhard Roth angekündigt, Robert Menasse schreibt über Brüssel, Doron Rabinovici über Außerirdische und bei Joachim Meyerhoff geht der autobiografische Wahnsinn weiter.
Am 6. Dezember wird Peter Handke 75 Jahre alt - und zu diesem Feiertag gibt es nicht nur eine neue, 10.000 Seiten umfassende "Handke-Bibliothek" bei Suhrkamp, sondern schon ab Anfang November auch ein neues Buch: "Die Obstdiebin oder Einfache Fahrt ins Landesinnere" heißt das Werk, das der Autor laut Verlag selbst als "Letztes Epos" bezeichnet. Auch eine persönliche Annäherung an und Begegnung mit Handke kommt anlässlich des 75ers in Buchform heraus: Rolf Steiner berichtet in der "Der Holunderkönig" (Haymon) von "einem, der auszog, Peter Handke zu treffen".
Erinnerungen an seinen großen historischen Erfolgsroman "Die Vermessung der Welt" dürfen sich Fans von Daniel Kehlmann für seinen neuen Wurf "Tyll" erhoffen. Der im Oktober bei Rowohlt erscheinende Roman leiste "die Neuerfindung der mythischen Figur" Tyll Ulenspiegel und handelt anlässlich des Gedenkjahres zum 30-jährigen Krieg (1618-1648) von den "Verwüstungen durch den Krieg und der Macht der Kunst", wie man bei Rowohlt ankündigt.
Suhrkamp legt auch abseits von Handke mit rot-weiß-roten Literaten nach: Robert Menasse stellt den Europa-Roman "Die Hauptstadt" mit Schauplatz Brüssel vor, ein "Epochenpanorama" voller "kleinlicher Bürokratie und großer Gefühle" und Doron Rabinovici erzählt in "Die Außerirdischen" von einer extraterrestrischen Eroberung der Welt, die die Menschheit auf die Suche nach freiwilligen Opfern schickt.
Gerhard Roth hat Auszüge aus seinem neuen Roman bereits kurz vor seinem 75. Geburtstag am 24. Juni im Burgtheater lesen lassen, "Die Irrfahrt des Michael Aldrian" erscheint allerdings erst Anfang September und ist der Auftakt zu einer geplanten Venedig-Trilogie. Ebenfalls bei S. Fischer legt Marlene Streeruwitz "Neue Vorlesungen" vor - "Das Wundersame in der Unwirtlichkeit" geht mit Populismus und Unterhaltungsindustrie hart ins Gericht.
Vielschreiber Michael Köhlmeier hat sich wieder in ferne Zeiten begeben und macht uns in der Novelle "Der Mann, der Verlorenes wiederfindet" den heiligen Antonius "zum Zeitgenossen", wie der Hanser Verlag ankündigt. Nicht nur für Köhlmeier, auch für den ebenfalls bei Hanser erscheinenden Historiker Philipp Blom ist es die bereits dritte Neuerscheinung in nur einem Literaturjahr: "Was auf dem Spiel steht" analysiert die Umbrüche unserer Gegenwart.
"Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war" heißt eine neue Erzählung von Paulus Hochgatterer. Sie berichtet vom einem Zusammentreffen vom Zweiten Weltkrieg angespülter Schicksale auf einem österreichischen Bauernhof und von "jenen Momenten, in denen Geschichte höchstpersönlich wird", kündigt der Deuticke Verlag an. Höchstpersönlich, ebenso wie höchst amüsant ist auch die nun auf vier Bände angewachsene autobiografische Romanreihe von Joachim Meyerhoff. "Der Wahnsinn geht weiter", freut sich Kiepenheuer & Witsch, der nächste Teil heißt "Die Zweisamkeit der Einzelgänger" und porträtiert einen Jungschauspieler, der gleich zwischen mehreren Frauen hin und her gerissen ist.
Einen Liebesroman "ohne jeden Seelenkitsch" veröffentlicht Olga Flor mit "Klar Traum" bei Jung und Jung. Ebendort betrachtet Florjan Lipus "Seelenruhig" seine Autobiografie und legt Jungautor Elias Hirschl mit "Hundert Schwarze Nähmaschinen" nach. Auf starke Debüts folgt nun auch bei Petra Piuk ("Toni und Moni Oder Anleitung zum Heimatroman" garantiert bei Kremayr & Scheriau "Seichte Handlung, feschen Dorfheld und Happy End") und Elisabeth Klar ("Wasser atmen" erscheint im Residenz Verlag) der mit Spannung erwartete "Zweitling".
Unter den Debüts der zweiten Jahreshälfte stechen etwa Irene Diwiak mit "Liebwies" bei Deuticke (Thema ist das Schicksal der unbegabten Sängerin Gisela Liebwies, die dennoch zum Star wird), Laura Freudenthaler (der Erinnerungsroman "Die Königin schweigt" erscheint im August bei Droschl) oder Thomas Mulitzer, der bei Kremayr & Scheriau eine Hommage an Thomas Bernhards "Frost" veröffentlicht: "Tau".
"Als ob sie träumend gingen" nennt sich das neue "sprachmächtige" Buch von Anna Baar (Wallstein), aus "Autolyse Wien", das "Erzählungen vom Ende" versammelt, wird Karin Peschka in den kommenden Tagen beim Bachmannpreis lesen (Otto Müller) und Susanne Scholl präsentiert im September mit "Wachtraum" ihren bisher "persönlichsten Roman", der einen Bogen vom Wien der NS-Zeit bis zum heutigen Wien als Flüchtlingsziel spannt (Residenz). Im Picus Verlag veröffentlichte der österreichische Regisseur Bernd Fischerauer im heurigen Frühjahr sein Romandebüt "Burli" - nun ist im selben Verlag soeben der zweite Roman, "Neumann", erschienen - wenige Wochen, nachdem Fischerauer im Mai an seiner Krebserkrankung gestorben ist.
Lyrik kommt unter anderem vom Südtiroler Joseph Zoderer ("Die Erfindung der Sehnsucht" bei Haymon) und erstmals von der 1923 geborenen Ilse Helbich, die sie seit den 70ern gesammelt, aber nicht veröffentlicht hat (Droschl). Für seine Prosaminiaturen gefeiert, legt Xaver Bayer mit dem Erzählband "Atlas" nach (Haymon). "Schweben" heißt der neue Roman des Vorarlberger Autors Jürgen-Thomas Ernst (Braumüller). Bei Czernin erscheint der neue Roman von Sophie Reyer: "Schildkrötentage" erzählt vom Älterwerden - und dem Wunsch, sich in einen Panzer zurückzuziehen.