Als wenig überraschend wird die am Freitag von Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ) verkündete Kür von Martin Kušejzum neuen Burgtheater-Direktor ab 2019 in den Zeitungskommentaren gewertet. Dass nahezu alle Zeitungen Kušej auf der Titelseite haben, spricht für Drozda "sehr für Land und Medienlandschaft", wie er am Samstag twitterte. Im Folgenden eine Auswahl an Pressestimmen:

"Der richtige Mann am richtigen Ort zur richtigen Zeit", meint der "Kurier". Kušej sei "aus mehreren Gründen eine großartige Wahl: Er ist ein packender Regisseur, der seinem Ruf als 'Berserker' längst weit entwachsen ist, der aber nach wie vor sich selbst und andere 'erregen' will, wie er betont. Er erwies sich in München als fähiger Intendant. Er hat richtig erkannt, dass die Modeströmungen des 'Postdramatischen' und der 'Dramatisierungen' Sackgassen sind. Er interessiert sich für die Schauspieler und für die Geschichten. Damit erkennt er das Alleinstellungsmerkmal des Theaters: Echte Menschen treten vor echtes Publikum, holen ganze Welten aus der Luft .... Wer das nicht aufregender findet als Katzenbilder und Zank im 140-Zeichen-Format, der hat eben Pech gehabt."

In der "Presse" fragt man sich, "was nachvollziehen lässt, dass Kusej, der in München durchwachsene Jahre hatte, die beste Wahl sein könnte? Ganz vordergründig und etwas billig populistisch, aber in Zeiten des Spin aktuell: Der Glamour. Es ist wieder an der Zeit, dass ein hervorragender Regisseur das Burgtheater leitet, dessen Inszenierungen stilbildend sind. Zwar hat der designierte Direktor bei seiner Vorstellung im Ministerium am Freitag angekündigt, dass er an sich nur bei einem Stück pro Saison Regie führen wolle. Doch das kann eine Tugend sein - nicht Masse, sondern Klasse. Wenige mustergültige Aufführungen bewirken die stärksten Veränderungen, das hat er an der Burg mit tollen Inszenierungen von Stücken Grillparzers, Nestroys und Schönherrs wiederholt bewiesen."

Drozda hat sich nach Ansicht der "Kleinen Zeitung" "zum Glück für den Widerborst entschlossen, denn die interessanten Zeiten, die da augenscheinlich auf uns zukommen, verlangen nach Künstlern, die meinungsstark und laut sind und empfindlich. Und Kušej ist nicht nur ein exzellenter Regisseur und ein interessanter Theatermacher. Er ist auch ein immens politischer Mensch, der gern Klartext redet und der sich, wie er selbst sagt, "immer aufregen muss". Das kann also genau die Burgtheater-Direktion werden, die das Land jetzt braucht, in Zeiten zunehmender politischer und sozialer Horizontverengung."

In der "Tiroler Tageszeitung" erwartet man "aufregende Jahre" unter dem "gestandenen Theatermann und Hobbykoch Martin Kušej, der seinen Gästen gerne Mousse au Chocolat mit Olivenöl und Meersalz serviert und dazu meint: 'Die Gäste sind erst ziemlich skeptisch und lecken dann die Teller aus!' Das könnte mit ambitionierten Spielplan-Menüs ebenso glücken."

Als "Heimholung mit allen Ehren" wertet die "Wiener Zeitung" die Kür Kušej, für das Burgtheater sei das "nicht die schlechteste Strategie. Die Phase der Konsolidierung unter Karin Bergmann war wichtig, sie schulterte sie souverän, aber mit wenigen künstlerischen Wagnissen. Es ist an der Zeit, dass jemand wieder, wie Elfriede Jelinek es bei Kušej erwartet, 'ein paar Feuerchen anzündet'".

Die "Süddeutsche Zeitung" nannte Kušej "Bezwinger der wichtigsten Burg Österreichs", sein "Publikumserfolg (im Münchner Residenztheater, Anm.) dürfte einer der Gründe sein, weshalb er nun nach Wien berufen wird - an ein Haus, an dem Karin Bergmann gerade unverdrossen und durchaus erfolgreich versucht, aus den Trümmern der Ära Hartmann ein konsolidiertes Arbeiten wiedererstehen zu lassen. Leichter als in München wird es Kušej in Wien nicht haben."

Bezugnehmend darauf, dass Kušej 2006 das Nachsehen gegenüber Matthias Hartmann bei der damaligen Kür des Burg-Chefs hatte, schreibt die "Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Aber die Zeit heilt bekanntlich alle Wunden, besonders, wenn sie früheren Konkurrenten noch größere zufügt. ... Neben dem Heimatbonus des 1961 geborenen Kärntners hat sicherlich auch seine erfolgreiche Beschäftigungsbiographie den Ausschlag gegeben. ... Kušej gilt als streng, manchen sogar als 'autoritär', in jedem Falle hat er wohl die richtige Robustheit, um sich an einem solchen Ego-Haus wie der 'Burg' zu behaupten."

Für die "Neue Zürcher Zeitung" war die Entscheidung für Kusej ebenso "überraschungslos" wie "verständlich": "An der Burg, diesem kulturellen Monument Österreichs, ist der Wille zu personalpolitischen Experimenten ausgereizt. Verlässlichkeit und Konstanz, Voraussetzung für künstlerisches Arbeiten, werden in Zukunft oberstes Gebot sein. ... Kušej ist eine durchsetzungsstarke Persönlichkeit, er wird ohne Frage in der Lage sein, dem Haus die notwendige gesellschaftliche Öffnung zu verpassen. Gleichermaßen wird er die Balance halten und weiterhin auch die historisch gewachsene Wertschätzung der Schauspielkunst pflegen. Die Künstler sind an der Burg das Piece de Resistance. Martin Kušej ist selber Künstler genug, um mit dieser Wiener Empfindlichkeit pfleglich umgehen zu können."