Ob in Diskussionen, Radiogesprächen oder in Buchform: Michael Köhlmeier liebt hochgeistiges Pingpong: In „Der Mensch ist verschieden“ beleuchtete er zuletzt mit seiner Frau Monika Helfer in unterhaltsamen, überraschenden und auch entlarvenden Skizzen 33 Charaktere vom „Nimmersatten“ bis zum „Erfolgsverwöhnten“ (wir berichteten). Davor lud der Vorarlberger Schriftsteller gemeinsam mit dem aus Kärnten stammenden Philosophen Konrad Paul Liessmann zu zwölf „mythologisch-philosophischen Verführungen“. Im Band „Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist, Adam?“ sind so hellsichtige wie kurzweilige Dialoge über Schlüsselbegriffe des Lebens versammelt wie „Gewalt“, „Schönheit“, „Macht“, „Grenze“ oder „Ich“.
Die Spielregeln: Köhlmeier modelliert auf seine unnachahmliche Art antike Sagen, germanische Heldenepen, mittelalterliche Legenden, Volksmärchenschätze aus verschiedensten Kulturkreisen oder Szenen aus der Bibel, wie in der Titelgeschichte, in der Adam im plötzlich bebenden, sich verdunkelnden Paradies nicht nackt vor Gott treten will und sich darum im Gebüsch versteckt.
„Nichts ist so verführerisch wie ...“, so beginnen nach jedem Kapitel Liessmanns Antworten auf Köhlmeiers Geschichten, in denen er Bezüge zu philosophischen Denkweisen, zur Literatur, aber auch zu brennenden Themen der Gegenwart herstellt - im (Sünden-)Fall Adams kommt er damit von Augustinus über Schiller bis zu Kierkegaard - und zur Erkenntnis: „Nichts ist so verführerisch wie die Verführung.“ Und: „Wer neugierig ist, muss mit allem rechnen.“
Die Silberlinge für Judas und das Geld als Schicksalslenker. Hiobs Tragödien und Wetten auf die Zukunft, ob man nun im Fußballstadion sitzt oder am Roulettetisch steht ...: In die Denklabyrinthe, in die sich Köhlmeier und Liessmann lustvoll hineinwagen, geht man gerne mit, folgt ihren Echos von Erzählung und Deutung und erhält doch genug Raum für eigene weiterführende Gedanken.
Michael Tschida