"The Voyeur's Motel": Neues Buch von Gay Talese in den USA umstritten
Autor lässt realen Voyeur zu Wort kommen (Von Christina Horsten/dpa)
New York (APA/dpa) -

"Frank Sinatra ist erkältet" gilt als eine der besten Kurzgeschichten aller Zeiten. Seitdem ist ein halbes Jahrhundert vergangen, und Autor Talese hat Dutzende weitere Bücher und Geschichten veröffentlicht. Sein neuestes Werk "The Voyeur's Motel" spaltet die USA - er lässt darin einen realen Voyeur zu Wort kommen

Seit fast 40 Jahren beschäftigt die Geschichte von Gerald Foos den Autor. Fast genauso lang aber war er sich sicher, dass er sie nie aufschreiben würde. 1980 hatte sich Foos erstmals mit Talese in Verbindung gesetzt und ihm in einem Brief von sich erzählt: Er betreibe ein Motel im US-Bundesstaat Colorado und sei leidenschaftlicher Voyeur. Durch eigens eingebaute Schlitze in den Decken einiger seiner Motelzimmer beobachte er die Gäste und führe genauestens Buch. Die so zusammengetragenen Informationen könnten "wertvoll für die Menschheit" sein.

"The Voyeur's Motel" von Gay Talese
"The Voyeur's Motel" von Gay Talese © Verlag

Talese, der seit "Frank Sinatra ist erkältet" in den USA als Journalismus-Ikone gilt, ist fasziniert und abgestoßen zugleich. "Ich legte den Brief erstmal ein paar Tage weg und wusste nicht, ob und wenn ja wie ich antworten sollte." Dann schrieb er Foos doch zurück, es entwickelte sich ein jahrzehntelanger Briefwechsel, und Talese besuchte Foos sogar einmal in seinem Motel in der Nähe von Denver und begleitete ihn beim heimlichen Beobachten seiner Gäste. Trotzdem schrieb Talese die Geschichte zunächst nicht auf, denn Foos wollte nur anonym darüber berichten. Das wiederum wollte Talese nicht.

Ein Motel mit einer sehr privaten Geschichte

Fast vier Jahrzehnte später ist "The Voyeur's Motel" nun doch erschienen - zunächst als Kurzgeschichte im renommierten "New Yorker", dann in den USA als Buch. Foos hatte Talese geschrieben - er gehe auf die 80 zu, habe das Motel lange verkauft, inzwischen sei es sogar abgerissen und er sei bereit, mit seinem richtigen Namen an die Öffentlichkeit zu gehen.

Jetzt spaltet die Geschichte von dem Voyeur aus Colorado die USA: Einerseits sorgt das Buch für riesige Schlagzeilen und verkauft sich bestens. Regisseur Steven Spielberg sicherte sich sogar bereits die Filmrechte. Andererseits sorgten miese Kritiken und Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Foos dafür, dass Talese sich schon teilweise von dem Buch distanzieren musste und versprach, mögliche Ungenauigkeiten in kommenden Ausgaben zu korrigieren.

Die Tücken mit den Ungereimtheiten

Talese - 84 Jahre alt und immer noch eine stets schick in Hut, Anzug und Krawatte gekleidete Institution an New Yorks nobler Upper East Side - ist für seine schnörkellose und elegante Sprache bekannt. Die findet sich auch in "The Voyeur's Motel", allerdings deutlich zu wenig und daran krankt das Buch. Über lange Seitenstrecken zitiert Talese direkt aus den Beobachtungstagebüchern des Voyeurs Foos, die häufig banal und aneinanderreihend klingen. Auch wenn die Geschichte eines Voyeurs, der jahrzehntelang heimlich seine Motelgäste beobachtet, auf den ersten Blick fasziniert, will sich so einfach kein Spannungsbogen auftun. Zudem gesteht Talese schon im Buch ein, dass sich in Foos Erzählungen immer wieder Ungereimtheiten fänden.

So bleibt dem Buch am Ende ein schaler Beigeschmack und Foos deprimierende Erkenntnis: "Die Menschen sind im Grunde unehrlich, nicht sauber, sie betrügen und lügen und sind nur vom eigenen Interesse motiviert."