Body Farm“. Wer auf der Suche ist nach einem tückischen Musterbeispiel für sprachliche Schönfärberei, ist bei diesem Begriff bestens aufgehoben. Er benennt eine Totenstätte, die angehenden Forensikern und Rechtsmedizinern helfen soll, die Verwesungsprozesse von Leichen präzise zu studieren, um auch den Todeszeitpunkt feststellen zu können. Schauderhaft, aber offenkundig auch inspirierend. Denn auf der bekanntesten Body Farm – im US-Staat Tennessee – holte sich der britische Autor Simon Beckett reichlich viel Detailwissen und auch die nötige Inspiration, um den forensischen Anthropologen in die weitläufige Krimi-Landschaft zu entlassen.
Beckett at his best!
Vier Romane und weltweiter Ruhm waren die Folge. Wobei der britische Autor allerdings, keineswegs als erster und einziger Vertreter der morbiden Branche, einem Irrtum aufsaß. Er meinte, die Spannung durch die beträchtliche Anhäufung an Opfern steigern zu können. Motto: Keine Seite ohne Verwesungsparfüm. Der Entschluss, seinem einzelgängerischen Ermittler eine Ruhe- und (in der Tat!) Verschnaufpause zu gönnen, war also naheliegend und richtig.
Nun aber ist David Hunter zurück. Wobei der Hinweis auf der zweiten Aufschlagseite des neuen Krimis ein wenig erstaunt. Denn im englischen Original wird „Totenfang“ erst im Frühjahr 2017 erscheinen, ein Hinweis darauf, dass Beckett mittlerweile im deutschsprachigen Raum eine weitaus größere Fangemeinde hat. Und er enttäuscht diese keineswegs.
Schauplatz der raffiniert aufgebauten Story sind die Backwaters, schwer zugängliche Regionen rund um das Mündungsgebiet der Themse. Dort wird, im Wechselspiel der Gezeiten, eine Leiche entdeckt und geborgen.
Simon Becketts Heimat ist das Moor. Dies beweist er durch großteils brillante Schilderungen der archaischen und mystischen Naturschauspiele, die ihn als Schriftsteller weit über das konventionelle Krimi-Genre hinausragen lassen und dem Werk zu großer sprachlicher Qualität verhelfen. Und dass er weiß, wie man Spannungsbögen aufbaut und Cliffhanger klug und wohldosiert einsetzt, war ohnehin schon bekannt.
Beckett at his best!
Werner Krause