Kein Text, kein Bild. Das "Portrait Laura Freudenthaler" auf der Homepage des Bachmann-Preises bietet über zweieinhalb Minuten lang und zeitweise im Zeitraffer den Ausblick aus einem Hinterhoffenster. "Es geht mir nicht um die Darstellung meiner Person sondern um mein Schreiben", erklärt die 1984 in Salzburg geborene und seit ihrem Studium in Wien lebende Autorin die gewählte Selbstpräsentation.

"Man kann nicht leugnen, dass Bücher zu veröffentlichen heißt, in die Öffentlichkeit zu treten. Dabei ist das schöne Bild, das einnehmende Bild wahnsinnig wichtig geworden. Dagegen hab ich grundsätzlich eine sehr ablehnende Haltung", sagt Freudenthaler. "Dem Literaturbetrieb möchte ich in dem Video etwas entgegenstellen, von dem ich glaube, dass es die Grundbedingung meines Schreibens sind: die Ruhe, die Zeit, die vergeht, die Zurückgezogenheit. Durch das Video soll dasselbe passieren wie durch meine Texte - nämlich die Schärfung der Wahrnehmung des Rezipienten. Ich möchte ihn dazu bringen, etwas aufmerksamer und genauer wahrzunehmen."

In bisher drei Büchern hat die frühere Studentin der Germanistik (Diplomarbeit über Walter Kappacher), Philosophie und Gender Studies diese selbst gestellte Aufgabe sehr erfolgreich erfüllt: In ihrem Debüt "Der Schädel von Madeleine" (2014) legte sie ungewöhnliche "Paargeschichten" vor, in dem Roman "Die Königin schweigt" (2017) fand sie für ein dörfliches Frauenleben die richtigen Worte, und in ihrem bisher letzten Roman erzählte sie im Vorjahr eine Ehekrise als "Geistergeschichte" und beschrieb in ungewöhnlichen und intensiven Bildern das Auseinanderdriften zweier Menschen. Das wurde auch mit dem Literaturpreis der Europäischen Union gewürdigt.

Preisverleihung

Die Preisverleihung in Brüssel erlebte sie als in ihrer Gesamtheit durchaus widersprüchliche Veranstaltung: "Am einen Tag wurde man bei der Preisverleihung für eigenständiges und kritisches Arbeiten ausgezeichnet, am nächsten Tag gab es einen Professionalisierungs-Workshop, in dem es darum ging, wie man sich darstellt und vermarktet - und zwar vor allem online." Nachdem klar wurde, dass es zusätzlich zum Preisgeld auch noch eigene EU-Fördermittel für die PR-Arbeit der Ausgezeichneten gebe, habe sie sich entschlossen, dies als Gelegenheit zu nehmen, ihre distanzierte Haltung mit dieser Art von Öffentlichkeit zu hinterfragen und darzustellen.

Herausgekommen ist eine poetische Web-Ausstellung, die mit den Möglichkeiten des Internet spielt (http://laurafreudenthaler.eu/), aber auch der Entschluss, auf eine Anfrage der neuen Bachmann-Preis-Jurorin Brigitte Schwens-Harrant, Feuilleton-Chefin der "Furche", nicht ablehnend zu reagieren. "Wenn es sich schon so ergibt an allen Fronten, dann begebe ich mich mal rein und setzte mich einige Monate intensiv damit auseinander, quasi im Komplettpaket - und dann höre ich wieder auf", lacht die Autorin. Ihren vor der Coronakrise geschriebenen Klagenfurt-Text ("eine in sich abgeschlossene Erzählung") kann sie wie alle Kolleginnen und Kollegen nicht live im ORF-Theater präsentieren, sondern hat sie bereits für eine Aufzeichnung vorgelesen. "Nachdem für mich klar war, dass ich das nicht in privaten Räumlichkeiten mache, habe ich mir dafür das Atelier einer Freundin ausgeliehen. Ich wollte es möglichst schlicht."

Shutdown

Auch während des Shutdown hat sie sich nicht aus ihrem Wohnzimmer gemeldet oder an Corona-Tagebüchern beteiligt. "Für mich steht es vollkommen außer Frage, etwas tagesaktuell zu kommentieren oder zu veröffentlichen. Es braucht Zeit. Das Wesentliche ist immer die Zeit, die vergehen muss. Es ist eine Frage der Form, und die finde ich nicht, wenn ich in Echtzeit auf etwas reagiere. So wie ich arbeite, ist das nicht denkbar." Die Coronakrise habe sie "nicht so hart getroffen wie die Kollegen, die im Frühjahresprogramm gerade ein Buch hatten. Es sind zwar einige Reisen ausgefallen, aber dadurch hatte ich wochenlang ungestörte Arbeitszeit. Aber meine privaten Befindlichkeiten halte ich nicht für relevant."

Sehr aufmerksam beobachtet habe sie allerdings, "was diese Zeit mit den Menschen rundherum macht, was gesellschaftlich und politisch passiert. Das hat mir sehr zu denken gegeben." Dazu zählen auch die Diskussionen um den politischen Umgang mit der Kultur. "Es ist allerdings nicht so, dass Corona überraschende Dinge zutage gebracht hätte. Nun hat man eben besonders deutlich gesehen, welchen Stellenwert die Kunst tatsächlich hat: Kunst soll trösten und unterhalten und freundlich sein und über Facebook funktionieren und über YouTube-Videos und uns über diese schwierigen Situation hinweghelfen.... Das ist alles demaskierend. Und natürlich nicht das, was ich mir von Kunst erwarte."

Und was erwartet sich Laura Freudenthaler, die als Zuschauerin vor einigen Jahren einmal beim Wettlesen vor Ort war, von der heuer virtuellen Ausrichtung des Bachmann-Preises? "Es bedeutet sicher eine gewisse Erleichterung, dass man diese Stresssituation im ORF-Theater nicht hat, aber es ist irgendwie bizarr, dass man sich als Teilnehmerin jetzt seine eigene Lesung im Fernsehen anschauen kann. Was ich sehr bedaure, ist, dass die Jurymitglieder nicht in einem Raum sitzen und einander bei der Diskussion wahrnehmen können. Das finde ich sehr schade", meint die Autorin, die "sehr neugierig auf die Texte meiner Kollegen" ist. Auf welche künftigen Bücher man von ihr neugierig sein darf, diese Abschlussfrage verweigert Laura Freudenthaler allerdings freundlich lächelnd: "Ich arbeite immer an etwas - und spreche nie darüber..."