Bisher hat man ja zumindest die Grundrechnungsarten beherrschen müssen, um sich durch die Titel von Ed-Sheeran-Alben zu kämpfen. Aber jetzt hat der Rotschopf-Superstar das erste Album mit einem richtigen Titel herausgebracht. "Autumn Variations" heißt es, und der Brite hat seine Musik erstmals auf seinem eigenen Label "Gingerbread Man" veröffentlicht. Auch das passt zum Herbst bzw. nahenden Winter: der Lebkuchenmann.

Ed Sheeran lässt natürlich wissen, was er sich bei diesem Album gedacht hat. "Letzten Herbst stellte ich fest, dass meine Freunde und ich viele Lebensveränderungen durchmachten. Nach der Hitze des Sommers beruhigte sich entweder alles, stabilisierte sich, fiel auseinander, spitzte sich zu oder implodierte."

Und weiter im Erklärtext: "Als ich zu Beginn des letzten Jahres eine schwierige Zeit durchmachte, half mir das Schreiben von Liedern dabei, meine Gefühle zu verstehen und mich mit dem, was vor sich ging, abzufinden. Als ich dann von den unterschiedlichen Situationen meiner Freunde erfuhr, schrieb ich Lieder, einige aus ihrer Perspektive, einige aus meiner eigenen, um festzuhalten, wie sie und ich die Welt zu dieser Zeit sahen. Es gab schöne Momente des Verliebens und neue Freundschaften, aber auch Tiefpunkte des Herzschmerzes, der Depression, der Einsamkeit und der Verwirrung."

Heute Freitag ist also dieses Album erschienen, es passt natürlich gut zum goldenen Herbst und all seinen netten Klischees und es enthält, Überraschung, viel Ed-Sheeran-Musik. Insgesamt 14 Tracks befinden sich auf dem Album. Diese Songs gehen sehr schnell ins Ohr – aber noch schneller beim anderen wieder hinaus. Das ist nicht weiter schlimm. Nicht jede Art von Popmusik ist für die Ewigkeit gedacht und hat mitunter nur den Nährwert eines, sagen wir, Hamburgers.

Das klingt jetzt vielleicht böser, als es gedacht ist. Von Beginn an hatte das Sheeran-Narrativ etwas Märchenhaftes. Vom Straßenmusiker zum Megastar. Diese Erzählung inkludiert, dass sich der nach oben Kämpfende/Singende das Erdige, Bodenständige bewahrt hat und jederzeit mit seinen Fans auf ein Pint ins nächste Pub gehen würde. Das ist natürlich eine Inszenierung – aber eine durchaus gute.

Und dazu passt die Musik. Ed Sheeran macht flockige, leichte, hochgradig angenehme und ebenso hochgradig harmlose Popmusik, die niemandem wehtut, aber Zigtausende erfreut. Das kann man in der Londoner U-Bahn genauso hören wie in der Wembley Arena. Dazu kommen Texte, die von Liebesglück und -leid, Freundschaft, Familie, Verlust, seelischer Verstimmung und Liebe zu seinem Land handeln.

Nach diesem Schema ist auch "Autumn Variations" gestrickt; ein Album, das übrigens, wie Ed wissen lässt, von Elgars "Enigma Variations" inspiriert wurde. Der Opener "Magical" ist ein süßer L'Amourler, "England" eine Fish & Chipsige Ode an die marode Heimat, "Amazing" das Bekenntnis, dass selbst einem Superstar mitunter der Alb drückt.

Und in dieser Tonart geht es weiter. Da ist nichts Rätselhaftes daran, und auch die Variationen halten sich in engen Grenzen. Aber auch das ist nicht weiter schlimm, ganz im Gegenteil. In einer Welt, in der viele von allen guten Geistern verlassen sind, gieren die Menschen förmlich nach Verlässlichkeit. Und auf Ed Sheeran und seine clever inszenierte Kumpelhaftigkeit und Nahbarkeit ist Verlass.

Dass dieses Album von Aaron Dessner produziert wurde, ist die eigentliche Überraschung. Der "The National"-Musiker ist eigentlich für Melancholie für Fortgeschrittene zuständig. Aber vielleicht hat der liebe Ed mit ChatGPT geplaudert und gefragt, wie er seinen musikalischen Herbst vergolden könnte. Und die Antwort war: "Schnapp dir Aaron Dessner, der hat es wirklich drauf."

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Albumtipp: Ed Sheeran. Autumn Variations. Gingerbread Man.