In ihrer Erstveröffentlichung "Halbes Leben" (1994) erzählt die heute in Wien lebende Klagenfurterin von den ersten 30 Lebensjahren ihres Protagonisten. Mittlerweile ist sie selbst zweimal 30 geworden, doch so morbid wie ihr Debütroman, der von einem Bestattungsunternehmer berichtet, dem ein Bein abgenommen wurde, sind ihre Bücher längst nicht mehr. Den unbestechlichen Blick für die Absurditäten des Alltags hat Lydia Mischkulnig über die Jahre perfektioniert.

So etwa in ihrem jüngsten Erzählband "Die Gemochten", in dem sie in 13 skurrilen Geschichten über Körperlichkeit und Selbstoptimierung, Zweifel und Einsamkeit sinniert. Da lässt sie ihr Publikum beim Zubereiten einer Gänsestopfleber schon einmal über die Zwangsernährung von Hungerstreikenden nachdenken oder begleitet ihre Figuren ins Stundenhotel, wo die sich gegenseitig so lange Leidenschaft vorspielen, bis sie einander wirklich zu mögen beginnen. Aberwitzig und manchmal verstörend sind ihre Geschichten, stets gezeichnet von genauer Beobachtungsgabe und feinem Sprachgefühl. Zahlreiche literarische Verweise laden dazu ein, entschlüsselt zu werden: Kafkas "Bericht für eine Akademie", Ibsens "Nora" oder Ingeborg Bachmanns "Drei Wege zum See" werden paraphrasiert. Eindeutig sind ihre Erzählungen nie, genauso wenig wie einfach zu konsumieren. Doch da sitzt jedes Bild, berührt jeder Charakter, klingt jeder Ton nach.

Vielfach ausgezeichnet

Ingeborg Bachmann widmete Lydia Mischkulnig übrigens eine ihrer Poetik-Vorlesungen, die sie heuer an der Universität Klagenfurt hielt. Auch beim Wettlesen um den Bachmannpreis ist die Autorin einmal angetreten: 1996 gewann sie dabei den Bertelsmann-Literaturpreis. Dieser Auszeichnung folgten noch viele weitere: darunter der Literaturförderpreis und der Würdigungspreis des Landes Kärnten, der Manuskripte-Preis, das Elias-Canetti-Stipendium der Stadt Wien und der Österreichische Förderungspreis für Literatur.

2020 erreichte Mischkulnig mit ihrem Roman "Die Richterin" die ORF-Literatur-Bestenliste. Darin porträtiert die Autorin eine Richterin, die nicht nur über Asylverfahren, sondern letztlich auch über ihr eigenes Leben urteilen muss. Analytisch und präzise seziert Mischkulnig dieses Frauenleben, zeichnet das ambivalente Bild eines nur oberflächlich geordneten Charakters am Rande zur Überforderung und entwirft gleichzeitig ein treffendes Gegenwartspanorama.
Mit ihren feinen Antennen für gesellschaftspolitische Entwicklungen erweist sich die Literatin auch als Meisterin der kurzen Form. Neben Erzählungen veröffentlicht sie Kolumnen ("Die Furche") und Essays (auch für unser Blatt).