Von Anfang an ist da dieser unausgesprochene Groll gegenüber ihrem Mann: In den 1950er-Jahren reist ihm Lisa aus der niederösterreichischen Provinz für ein Jahr nach New York nach. Dort macht der ambitionierte Jungarzt eine Ausbildung zum Anästhesisten. Es war sein Wunsch, dass sie ihm folgt, allerdings musste Lisa ihr gemeinsames Kind Kathi bei den Großeltern lassen.

Der zunehmenden Verzweiflung deswegen weicht Lisa durch ausgedehnte Streifzüge mit ihrem Fotoapparat durch die vibrierende Metropole aus. Oft an ihrer Seite ist dabei die kleine, aufgeweckte Lucy, von deren Eltern Lisa als Nanny angestellt wurde. Schließlich verliebt sich die einsame junge Mutter in den Fotografen John, was sie in gleich mehrere Gewissenskonflikte, aber auch in Euphorie stürzt: „Das würde nie mehr jemand zu ihr sagen. I’ll come flying.

Die Faszination, die von John ausging, war nicht von seinem Sprachwitz zu trennen. Dieses unwiderstehliche Englisch. Als wäre es ihre zweite Muttersprache. Sie hatte sich nicht nur in einen anderen Mann verliebt, sondern gleich auch in seine Sprache. Mit der könnte sie ebenso wenig Schluss machen.“ Wo gehört sie hin? In welcher Sprache fühlt sie sich mehr zu Hause? Die Standortbestimmung fällt Lisa schwer.

Poetische Bilder

Evelyn Schlags Roman „Please Come Flying“ ist das einfühlsame Psychogramm einer jungen Frau zwischen Sehnsucht, Pflichtbewusstsein und Selbstverwirklichung. Sie ist kreativ und sensibel, diese Lisa, die gerne Alltagsszenen in New York fotografiert, Aufnahmen von Spiegelungen oder durch Jalousien macht, das Licht einfängt und die Farben. Wohl nicht zufällig stammt das Coverfoto des Buches vom großen österreichischen Fotografen Ernst Haas, der im Roman auch gewürdigt wird.

Dass die Autorin Germanistik und Anglistik studiert hat und auch als Lyrikerin bekannt ist, lässt sich in diesem sinnlichen Roman nicht übersehen – so selbstverständlich ist der Wechsel zwischen Englisch und Deutsch in den Dialogen, so raffiniert ist die Zeichnung der Charaktere durch ihre Sprache, so poetisch sind die Bilder. Und so geschickt konstruiert ist der Ausgang der Geschichte, der hier nicht verraten wird.

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Buchtipp: Evelyn Schlag. Please Come Flying.
Hollitzer Verlag, 358 Seiten, 24 Euro.