Den perfekten Eröffnungsfilm zu finden, ist eine undankbare Aufgabe. Man kann es nicht allen recht machen. Da geht es Berlinale-Direktor Carlo Chatrian wohl wie uns Normalsterblichen. Die Familiengeschichte "She Came to Me", mit der am Donnerstagabend die 73. Berlinale eröffnet wurde, erfüllt zumindest einige der Anforderungen. Es ist ein Film, den Regisseurin Rebecca Miller selbst geschrieben hat – mit einigen Stars, deren Namen geläufig sind. Er setzt eine leichte Auftaktnote für ein Festival, das inmitten großer Krisen auch selbst politisch zu sein versucht. Immerhin wird der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj digital zugeschaltet und die Verleihung der Bären wird kommende Woche nur einen Tag nach dem Jahrestag der russischen Invasion über die Bühne gehen.
Da lenkt eine eher harmlose Beziehungskomödie mit den Sympathieträgern Peter Dinklage, Anne Hathaway, Marisa Tomei und Joanna Kulig nicht allzu sehr ab, aber doch ausreichend. "She Came to Me" ist die New Yorker Geschichte eines psychisch labilen Opernkomponisten und seiner neurotischen Psychiater-Ehefrau und seiner Zufallsbekanntschaft mit einer Romantik-süchtigen Bootskapitänin. Aber auch die Romeo-Julia-Story zweier ungleicher Teenager, die mit antiquierten Moralvorstellungen in Konflikt kommen. Die romanhafte Erzählung hält einige nette Szenen bereit und gibt ihren Darstellenden viel Raum, holpert aber zwischenzeitlich auch ordentlich.
Regisseurin Miller, Tochter der gebürtigen Grazerin und Magnum-Starfotografin Inge Morath und einem gewissen Arthur Miller, inszeniert teilweise durchaus behäbig. So richtig in Fahrt kommt ihr sechster Langfilm, der außer Konkurrenz gezeigt wird, nicht. Auch wenn "She Came to Me" kein unangenehmer oder ärgerlicher Festivalauftakt ist, stieß der Film bei der Pressevorführung auf eher lauwarme Reaktionen. Einen bleibenden Eindruck wird er wohl, nach der Selenskyj-Ansprache, auch beim Galapublikum der Eröffnung und dem normalsterblichen Berlinale-Publikum nicht hinterlassen. Wenigstens gibt es für Daheimgebliebene keinen Grund für Berlinale-Neid. Hoffentlich geben dann die Filme der kommenden neun Tage mehr Grund dazu.