In früheren Zeiten wäre aus dem redlichen Vorhaben wohl ein Briefroman entstanden. Durch Mails und WhatsApp-Statements funktioniert der Meinungsaustausch weitaus rasanter, das heißt jedoch noch lange nicht, dass sich dadurch ein Stillstand vermeiden lässt. Die immens erfolgreiche Autorin Juli Zeh und ihr Autorenkollege Simon Urban starteten in „Zwischen Welten“ ein Rollenspiel, um all die Übel der Zeit aufzugreifen und darüber zu diskutieren bzw. zu streiten.

Juli Zeh übernimmt den Part einer in ihrer Existenz bedrohten Landwirtin in Brandenburg, also im „Ossi-Land“, Simon Urban macht sich als Top-Journalist bei einer Hamburger Wochenzeitung auf Problembereinigung und Wahrheitssuche. Das Duo lief sich nach 20 Jahren zufällig wieder über in Weg. Nun widmen sie sich in ihrer Kommunikation einer mächtigen Themenblase, reichlich befüllt mit geläufigen und brisanten Zu- und Missständen.

Radikale Polarisierung

Der Klimawandel zählt dazu, die Forderung nach Gleichberechtigung, Putin ist mit von der Partie, die Cancel Culture, das Gendern, die Hilflosigkeit der Politiker und der Aufstieg der Rechtspopulisten, der Fremdenhass ... Es geht auch um die Macht der diversen digitalen Plattformen und die beklemmende Leichtigkeit, mit der sich ein Shitstorm initiieren lässt.
Die Welt ist aus den Fugen, das ist bekannt.

Ebenso bekannt ist allerdings auch der erste und wichtigste Ansatz, mögliche Lösungen zu finden – durch eine rasche Verbesserung der Debattenkultur, die einer oft radikalen Polarisierung gewichen ist. Der Journalist ist kurzzeitig naiv genug, sogar auf ein globales Gutmenschentum zu hoffen. Schön wär’s! Schön weltfremd ist es auch.

So lebt denn dieser Roman vorwiegend vom zynischen Schlagabtausch, den sich dieses ungleiche Paar liefert. Gängiger Rhetorik-Ramsch kommt keineswegs zu kurz. Juli Zeh war, federführend, clever genug, all dies in eine Liebesgeschichte zu verpacken und auch den Protest und den Aktionismus ins Spiel zu bringen. Bitter, aber wahr: Am Halbschlaf der Vernunft wird das nur wenig ändern.

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Buchtipp: Juli Zeh/ Simon Urban. Zwischen Welten.
Luchterhand. 443 Seiten, 24,70 Euro.