Der Himmel blutete über der slowenischen Stadt Maribor im Jänner 1938. Das „Nordlicht“, ein historisch belegtes Lichtphänomen, das den Himmel rot färbte und die Menschen in Angst und Schrecken versetzte, gibt dem vor mehr als 30 Jahren erstmals in deutscher Übersetzung erschienenen Roman Drago Jančars seinen Namen.
Vom Folio Verlag wurde nun die Übersetzung von Klaus Detlef Olof neu aufgelegt – erweitert um ein lesenswertes Nachwort von Claudio Magris: „Die Dämonen zu sehen und vor ihnen zu warnen, ist die beste Methode, um sie zu bekämpfen und ihrer Verführungskraft nicht zu unterliegen.“
Die Dämonen, das sind das Herannahen des Weltenbrands und die gesellschaftliche Zerrissenheit, die der Autor parallel zum Psychogramm seines Helden schildert. Josef Erdmann reist aus Lienz Anfang 1938 in seine Geburtsstadt Maribor, um für einen geschäftlichen Termin einen gewissen Jaroslav zu treffen. Doch der Erwartete kommt wie bei „Warten auf Godot“ nie an. Ein weiterer surrealistischer Fingerzeig ist wohl der Name des Ehemannes von Erdmanns Geliebter Margarita – Franjo Samsa lässt sofort an Franz Kafka denken.
Neben allen Querverweisen und realen Bezügen, die viele Parallelen zu unserer Gegenwart zulassen, ist es die spannende Handlung, die das Zeitpanorama so packend macht. Je mehr Wahnsinn und Endzeitstimmung zunehmen, desto rauschhafter und exzessiver wird auch das (Nacht-)Leben Erdmanns, bis schließlich seine Geliebte überfallen, ermordet und er als Täter verdächtigt wird. Als Leserin taumelt man in 81 knappen Kapiteln durch die Weltgeschichte und das Seelenleben eines Antihelden, der stets am Abgrund entlang balanciert.
Buchtipp: Drago Jančar. Nordlicht. Aus dem Slowenischen von Klaus Detlef Olof. Folio. 272 S., 24 Euro.
Karin Waldner-Petutschnig