Es ist eine Ikone, eine Legende, die da in der ausverkauften Wiener Arena auf der Bühne steht, bekleidet, zumindest am Beginn, mit ihrem schwarzen Sakko, ein permanentes Markenzeichen, ein marginales optisches nur, vor allem verglichen mit all den genialen Glanztaten, die Patti Smith zu verdanken sind.

Seit ihrem Debütalbum "Horses", 1975 erschienen, bereicherte die Wahl-New-Yorkerin die Pop-Geschichte durch etliche maßgebliche und zukunftsweisende Kapitel. Wie oft sie in all den Jahrzehnten danach in Wien auftrat? Manche gewissenhafte Statistiker werden es wohl wissen – aber wen interessiert es denn wirklich. Patti Smith, mittlerweile 75 Jahre alt, zählt zu den wenigen Künstlerinnen und Künstlern, denen man in diesem oft windigen Pop-Geschäft die Menschlichkeit und das Aufbegehren abnimmt, sie pfeffert nicht mit Worthülsen und Phrasen um sich, wenn sie über Freiheit und, gerade jetzt, über den Glauben an eine bessere Zukunft singt.

Strahl- und Ausdruckskraft

"People Have the Power" – mit missionarischem Enthusiasmus und einer ihrer bekanntesten Hymnen schickt die Rebellin auf Lebenszeit ihr Publikum, insgesamt 3000 Fans, nach einem rund 100-minütigen Konzert auf den Heimweg, aufgeladen mit Energie von Kopf bis Fuß. Ob’s was hilft, ist eine andere Frage. Aber eine Lektion ist es allemal, noch dazu von einer großen Lehrmeisterin. Stimmlich beeindruckt Patti Smith nach wie vor durch faszinierende Strahl- und Ausdruckskraft, die Setlist ist sehr ausgewogen, wechselnd zwischen zarten, fast fragilen Songs, enorm druckvollen Krachern und Verbeugungen vor Bob Dylan und Neil Young. Bei der Cover-Version von "After the Gold Rush" gehört Gänsehaut trotz der enormen Hitze zur körperlichen Grundausstattung.

Zum musikalisch-poetischen Gesamtpaket zählt auch, zum 25. Todestag von Allen Ginsberg, ein Auszug aus dessen berühmtesten Gedicht "Howl" ("Footnote to Howl"). Angeblich ist es die Abschiedstournee von Patti Smith. Man versteht sie. Wenngleich, in leichter Abwandlung ihres Mantras, ein "I Shall Come Again" schon auch recht schön wäre.