Die Debatte um das Wiener Karl-Lueger-Denkmal an der Ringstraße wird intensiver. Gefordert werden inzwischen immer häufiger eine vollständige Entfernung und eine Umbenennung des Lueger-Platzes. Dafür hat sich etwa die Internationale Liga gegen Rassismus und Antisemitismus in Österreich (Licra) am Montag ausgesprochen. Co-Präsident Benjamin Kaufmann empfahl in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Zeithistoriker Dirk Rupnow eine Neu-Aufstellung im musealen Kontext.
Verwiesen wurde dabei auch auf den am Wochenende veröffentlichten offenen Brief namhafter Holocaust-Überlebender. Neun Personen, unter ihnen Nobelpreisträger Eric Kandel und der Schriftsteller Georg Stefan Troller, fordern Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) darin zum Handeln auf.
"Es schmerzt uns, dass Karl Lueger, einer der prononciertesten Antisemiten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, immer noch im Herzen Wiens geehrt wird. Wir sind der Überzeugung, dass der Platz umbenannt werden muss und das Ehrenmal entfernt werden muss. Die Untätigkeit der Stadt in dieser Sache (...) ist beschämend und die vorgeschlagene 'Kontextualisierung' nicht hinreichend (...)", heißt es in dem Schreiben.
Zu den weiteren Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern gehören die Autorin Lore Segal, der Maler Fred Terna, die Psychologin Evelyn Torton Beck, der Schriftsteller Zvi Jagendorf, die Soziologin Riane Eisler, der Gründer des Jüdischen Filmfestivals Wien, Kurt Rosenkranz und der Lyriker Elazar Benyoetz.
Keine "Geschichtslöschung"
Licra-Präsident Kaufmann betonte, dass es mit einer einfachen Entfernung nicht getan sei. Die Beseitigung habe auch nichts mit "Geschichtslöschung" zu tun, zeigte er sich überzeugt. Die Statue solle an einen Ort gebracht werden, wo sie zugänglich sei – aber ohne im öffentlichen Raum zu wirken. Empfohlen wurde die Aufstellung etwa im Wien Museum oder im Haus der Geschichte.
Auch die Schaffung einer Einrichtung für "toxische Denkmäler" sei denkbar. Hier gebe es bereits internationale Beispiele, berichtete Kaufmann. Gegen eine Kontextualisierung spricht man sich jedenfalls klar aus. Das Lueger-Denkmal dürfe kein "umgedeutetes Ehrenmal" werden. Auch Dirk Rupnow vom Institut für Zeitgeschichte Innsbruck bekräftigte: "Denkmalsetzungen sind Ehrungen."
Auf jeden Fall müsse zunächst Platz geschaffen werden, wurde heute betont. Anschließend könne aktiv eine neue Gestaltung in die Wege geleitet werden. Dies könne etwa in künstlerischer Form geschehen, schlägt man vor.
Auch die Wiener Grünen plädierten am Montag für einen Abbau der Skulptur. Sie verwiesen in einer Aussendung auch auf die regelmäßigen Protest-Kundgebungen an dem Ort. "Lueger hat wegen seines Antisemitismus und Populismus im demokratischen Wien des 21. Jahrhunderts als Vorbild ausgedient. Das hat nichts mit fehlendem Geschichtsbewusstsein zu tun – ganz im Gegenteil", zeigte sich Kultursprecherin Ursula Berner überzeugt.
Das Denkmal feiere einen Politiker, der seinen Erfolg auf Kosten anderer erreicht und sich "selbstverliebt" in die Stadtgeschichte eingeschrieben habe. Die Grünen fordern den Abbau der Statue und eine Umbenennung des Platzes, also etwa eine Benennung nach der Historikerin Erika Weinzierl – der Vorkämpferin gegen Antisemitismus in Österreich, wie sie betonten. Falls dies nicht möglich sei, solle zumindest die Umbenennung in einen neutralen Ortsnamen wie "Am Stubentor" erfolgen, hieß es.
Stadt bleibt bei ihrer Linie
Die Stadt ist bisher gegen eine Entfernung des Denkmals für den früheren Bürgermeister und bekennenden Antisemiten Lueger (1844-1910). Angestrebt wird vielmehr eine "künstlerische Kontextualisierung". Die inhaltlichen Kriterien für den geladenen Wettbewerb soll eine wissenschaftliche Kommission festlegen. Das Denkmal mit einer vier Meter hohen Bronzefigur Luegers am Stubentor wurde 1926 errichtet und sorgt seit Jahren für Debatten.
"Seine" Straße hat der frühere Stadtchef übrigens bereits 2012 verloren. Damals wurde der Lueger-Ring in Universitätsring umbenannt.