Der Rechtsstreit zwischen dem Blogger Markus Wilhelm und dem Industriellen Hans Peter Haselsteiner in der Causa um die Tiroler Festspiele Erl hat ein juristisches Ende gefunden. Die Berufung der letzten von insgesamt 18 Klagen wurde laut Medienberichten vom Oberlandesgericht Innsbruck (OLG) abgewiesen. Das OLG befand, dass Wilhelm seine Vorwürfe rund um arbeitsrechtliche Missstände in Erl zu Recht erhoben hatte und ein besonderes öffentliches Interesse vorliege.

Wilhelm hatte im Februar 2018 auf seinem Blog "dietiwag.org" geschrieben, dass bei den Festspielen der Verdacht auf Lohndumping, Lohnwucher, Scheinselbstständigkeit oder Abgabenhinterziehung bestehe. Das Gericht meinte beispielsweise zur Bezahlung von weißrussischen Sängern, die nur 35 Euro pro Tag verdient hatten: "Eine derartige Bezahlung für professionelle Musiker ist im Vergleich mit dem allgemeinen Lohnniveau derart niedrig, dass der Vorwurf des Lohndumpings und Lohnwuchers nach Ansicht des Senats gerechtfertigt erscheint". Außerdem handelte es sich um eine Arbeitskräfteüberlassung, daher hätte man die Musiker bei der Sozialversicherung anmelden müssen.

Nachdem Haselsteiners Klage vom Landesgericht Innsbruck in erster Instanz abgewiesen worden war, wollte der Ex-Strabag-Chef Wilhelm zu einem Vergleich bewegen. Letzterer sollte sich allerdings verpflichten, nie mehr über Haselsteiner oder die Festspiele zu berichten. Für Wilhelm war dies der "Versuch einer Knebelung", das Angebot habe er daher "nicht-dankend" abgelehnt, wie er auf seinem Blog zur Entscheidung des OLG schreibt.

Meinungsfreiheit

Für das Gericht stand indes fest, dass "die klagende Partei als 'public figure' anzusehen" sei. Die Festspiele werden vom Land Tirol und dem Bund mitfinanziert. "Der Öffentlichkeit ist ein gewichtiges Interesse an allfälligen rechtswidrigen Vorgängen bei Beschäftigungsverhältnissen zuzugestehen", hieß es weiter in der Begründung. Eine durch "umfangreiche Quellen recherchierte Verdachtslage" habe vorgelegen, "die die öffentliche Berichterstattung unter Beachtung der verfassungsrechtlich garantierten Meinungsfreiheit rechtfertigt", hieß es weiter. Das Gericht vertrat die Ansicht, dass Wilhelm die journalistische Sorgfaltspflicht eingehalten hatte.

Die Tiroler Oppositionspartei Liste Fritz forderte eine "klare Reaktion von Land und Bund" und einen "Förderstopp". "Für die meisten in Tirol gilt, wer öffentliches Geld bekommt, muss sich an geltende Gesetze halten", sagte Klubobmann Markus Sint. "Allein zwischen 2018 und 2023 müssen die Tiroler Steuerzahler 9,3 Millionen Euro an Förderungen für die Tiroler Festspiele Erl bezahlen, noch einmal 9,3 Millionen Euro bezahlen wir alle als Steuerzahler über die Bundesförderungen in dieser Zeit", hielt er fest. Für Sint sei es "erschreckend", dass nicht die "für die Millionenförderungen zuständige ÖVP-Landesrätin Beate Palfrader die Missstände erkannt und abgestellt hat, sondern dass es das Engagement von Markus Wilhelm gebraucht hat". Die Causa Erl war von Wilhelm vor vier Jahren mit Vorwürfen der sexuellen Belästigung und des Machtmissbrauchs gegen Gründer und Künstlerischen Leiter Gustav Kuhn ins Rollen gebracht worden. Daraufhin wurden laut dem Blogger 18 Prozesse gegen ihn angestrengt. Einige davon waren eingestellt worden.

Die Vorwürfe des sexuellen Übergriffs hatte Kuhn stets vehement bestritten, auch nachdem sich fünf Künstlerinnen mit einem Offenen Brief an die Öffentlichkeit wandten. Der "Maestro" stellte im Sommer 2018 schließlich seine langjährige Funktion als künstlerischer Leiter der Festspiele bis zur vollständigen Klärung der Vorwürfe ruhend und legte im Oktober schließlich all seine Funktionen zurück. Zu einer Anklage gegen Gustav Kuhn kam es in Folge aber nicht. Im März 2020 stellte die Staatsanwaltschaft Innsbruck das Ermittlungsverfahren gegen ihn ein, da am Ende kein Vorfall übergeblieben sei, der strafbar, nicht verjährt und beweisbar gewesen wäre. Die Gleichbehandlungskommission im Bundeskanzleramt hatte jedoch in ihrem Gutachten festgestellt, dass eine sexuelle Belästigung durch Kuhn stattgefunden hatte.