Mit einem Schnaps fängt in dieser szenischen Ballade jede folgenschwere Verkettung an. Der Major genehmigt sich ein paar Stamperln, während er den serbischen Soldaten beauftragt, sich um die Reitkünste der Frau eines Freundes zu kümmern. Die Liebesgeschichte, die sich daraus entwickelt, beendet die militärische Karriere von Stevan.

Die Haushälterin bedankt sich mit einem Schnaps beim jungen Bauern Jeranek für die Arbeit auf den Anwesen der Herrschaft. Dass er dort als Knecht betrachtet wird und die arglose Hausherrin Veronika nicht sein Schwärmen sieht, sondern nur seine goldenen Hände, ist ein guter Nährboden für Sticheleien. Deshalb wird Jeranek wider besseren Wissens, Veronika und ihren Mann Leo bei den Partisanen als Kollaborateure der gehassten deutschen Besatzer anschwärzen. Und im letzten Bild dieses vierstündigen Theaterabends wird der alte steifbeinige Partisanenfreund Janko  dem im Rollstuhl sitzenden Jeranek noch einen einschenken und die traumatische Erinnerung an die Ausradierung des Paares heraufbeschwören.

Jahre bevor das tragische Ende von Ksenija Hribar im verschneiten Wald hinter dem Oberkrainer Schloss Strmol aufgeklärt worden ist, machte der slowenische Autor Drago Jančar die Begebenheit zum Thema seines Romans „Die Nacht, als ich sie sah“ (Original: „To noč sem jo videl“), aus Ksenija Hribar wurde Veronika Zarnik. Die Dramatisierung von Janez Pipan nimmt die ganze Wucht der erschütternden Geschichte mit. Seine Inszenierung ist von fesselnder Klarheit und lebt von exzellenten Schauspielleistungen und Gesang (vom Partisanen- bis zum slowenischen Kärntner Volkslied).

Auf der sparsam möblierten Bühne (Marko Japelj), in deren Zentrum eine Säule nach und nach zur  Video-Projektionsfläche (Vesna Krebs) wird, löst Pipan mit den Stilmitteln des epischen Theaters die Erinnerung aus dem Nebel von Vergessen und Verdrängen. Sensibel gestaltete Rückblenden folgen dem Leben und Wesen einer exzentrischen Frau, die einen Alligator Gassi führte, die Kunst liebte und die sich weder um Politik noch um Konventionen scherte. Eine Frau, die ein überfahrener Frosch aus der Fassung brachte und die dem deutschen Militärarzt (Burg-Schauspieler Daniel Jesch)  „ein Gefühl für das normale Leben mitten im Krieg“ gab. Schon wird man hineingezogen in eine ausgelassene Silvesternacht, bei der „La Bionda“ besungen wird und niemand kommt ungeschoren davon. In der Koproduktionen des Slowenischen Nationaltheaters SNG Maribor mit dem jugoslawischen Theater Belgrad, Laibacher Cankar Center und Burgtheater glänzen neben Nataša Matjašec Rošker (Veronika) insbesondere die Grande Dame des Drama Ljubljana Milena Zupančič (Veronikas Mutter), Milan Marić als serbischer Soldat, Mateja Pucko als Haushälterin Joži und Vladimir Vlaškalić als alter Jeranek. Gesprochen wird slowenisch, serbisch und deutsch, im Akademietheater Wien (geplant in der zweiten Spielzeithälfte 2021/22)  wird eine deutsche Übersetzung mitlaufen.