Selbst hat er sich einmal als „Nicht-Musiker“ bezeichnet. Das mag britisches Understatement sein – oder die Wahrheit. Denn Brian (Peter George St. John le Baptiste de la Salle) Eno ist schwer fassbar und unfassbar vielseitig. Er steht für die intellektuelle Seite der sogenannten U-Musik, ist ein Denker und Tüftler, ein Visionär und Pionier, der von der Vergangenheit nichts mehr wissen will und stattdessen lieber genresprengende Kunst-Konzepte für die Zukunft erstellt.
Ein kurzer Blick zurück muss dennoch sein. Mit Federboa und Plateauschuhen saß er ab 1971 bei Roxy Music an den Keyboards und Synthesizern, hatte aber bereits nach zwei Alben genug vom Glamrock-Zirkus. Es folgten Soloalben und mit Robert Fripp erste Ausflüge in eine Soundwelt, die später den Namen „Ambient“ bekam. Angeblich inspiriert durch ein negatives Hörerlebnis auf einem deutschen Flughafen, gab er 1978 das Album „Music for Airports“ heraus. Es wurde, wie so vieles von Eno, stilprägend.
Als Musikproduzent wirkte der Brite, der als unkommunikativer Journalistenschreck gilt, an Alben mit, die Musikgeschichte schrieben. Mit David Bowie arbeitete er an dessen düster-genialen „Berlin-Trilogie“, mit David Byrne an drei essenziellen Talking-Heads-Alben. Ab Mitte der 1980er-Jahre bis weit in die 2000er-Jahre war er der Kreativ-Bonus für Bono & Co. und ließ seine Ideen in Meilensteine wie „The Joshua Tree“ und „Achtung Baby“ einfließen. Weitere fruchtbringende Kollaborationen gab es mit Coldplay, Laurie Anderson, James Blake, Grace Jones und Peter Gabriel, mit dem er auch eine Musikergewerkschaft gründete.
Musik an der Nahtstelle zwischen Mensch und Maschine, präsentiert an teils ungewöhnlichen Orten, dem gilt in den letzten Jahren das Hauptinteresse dieses Allroundkünstlers, der jedoch nie (bis selten) in die Beliebigkeit abgleitet. Für seine multisensorische Installation „77 Million Paintings“, ab morgen im Dom im Berg zu hören/sehen/fühlen, hat Eno eigens visuelle Musik komponiert. Für das Elevate Festival wurde eine spezifische, raumgreifende 3D-Sound-Adaption von „77 Million Paintings“ erarbeitet.
Dass „Fahrstuhlmusik“, oft ein Synonym für das heimtückische Abspulen von nerviger 08/15-Musikware, auch eine Kunstform sein kann, zeigt das zweite Projekt in Graz. Für die Bespielung des Schloßberglifts hat Eno vier neue Kompositionen geschrieben, die dort ebenfalls ab Donnerstag zu hören sind und die die „Fahrstuhlmusik“ von Jimi Tenor vom letztjährigen Elevate ablösen.
Da der Mann mit den 77 Millionen Ideen im Kopf derzeit mit seinem Bruder Roger auf Tour ist, kann er nicht leibhaftig in Graz sein. Eine Begegnung mit Brian Eno gibt es aber am Sonntag mittels Videotalk.