Vor 40 Jahren wurde beschlossen, das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger von 1867 zum Schutz der Freiheit der Kunst wie folgt zu erweitern: Das künstlerische Schaffen, die Vermittlung von Kunst sowie deren Lehre sind frei. Damit wurde „die Kunst“ bzw „das künstlerische Schaffen“ verfassungsrechtlich verankert und so dem Einzelnen ein subjektives Recht auf die Gewährleistung dieser Freiheit garantiert.

Erwartungsvoll kann nun auf die "Florestan"-Initiative geblickt werden, die vor einiger Zeit (angeführt vom Dirigenten und Pianisten Florian Krumpöck) einen Individualantrag beim VfGH eingereicht hat, um vor dem Hintergrund der Freiheit der Kunst zu prüfen, ob die Schließung der Kulturstätten verfassungskonform war.

Rechtlich wird durch den Kulturlockdown wohl unstrittig in den sogenannten Schutzbereich der Kunstfreiheit eingegriffen. Die verhängten Maßnahmen machen es nämlich unmöglich, dass Künstler, aber auch etwa die ebenfalls durch das Grundrecht geschützten Konzertveranstalter ihren Beruf ausüben. Mehr noch: Das derzeitige Verbot kultureller Veranstaltungen zielt sogar direkt auf die Beschränkung (sogar Untersagung) der Tätigkeit eines Kulturveranstalters ab.

Die Verfassungsklage der Florestan-Initiative könnte sich damit von einem kulturpolitischen Statement zu einem rechtlichen Paukenschlag entwickeln, wenn der VfGH seiner bisherigen Rechtsprechung zu Art 17a StGG folgt: Als Spezifikum der Kunstfreiheit sind nämlich direkte Beschränkungen dieses Grundrechts absolut verboten und gar keiner Verhältnismäßigkeitsprüfung**  zugänglich. Dies könnte wohl auf zahlreiche Beschränkungen im Zusammenhang mit dem „Kulturlockdown“ zutreffen.

In jedem Fall kann gespannt auf die Entscheidung geblickt werden, denn auch wenn der VfGH von seiner bisherigen Rechtsprechung abweicht und bei der Prüfung der Maßnahmen eine Abwägung vornimmt, setzt er durch seine Entscheidung jedenfalls ein Zeichen, wenn er in einer Verhältnismäßigkeitsprüfung die Wertigkeit der Freiheit von Kunst in unserer Gesellschaft berücksichtigen muss.

*Mag. Antonia Maria Pötsch arbeitet im Musikverein für Steiermark. Sie dissertiert derzeit zur Kunstfreiheit an der Karl-Franzens Universität Graz bei Univ.-Prof. Bernd Wieser

** Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist ein Rechtsgrundsatz, der das Abwägen von Maßnahmen im öffentlichen Interesse gegenüber den dadurch entstehenden Einschnitten in private Interessen und Rechte verlangt