Kontaktiert man heute ehemalige Starmaniacs, winken nicht wenige ab: „Es waren danach viele dunkle Jahre – und leider wühlt es mich immer noch auf. Prinzipiell habe ich meinen Frieden gefunden, aber ich möchte nicht darüber reden“, schrieb uns etwa ein in der Show damals sehr erfolgreicher Kandidat. Der erste Sieger, Michael Tschuggnall, der heute als Informatiker arbeitet, resümiert indes, dass er danach nicht mehr authentisch war: „Ich wurde damals in eine Rolle gedrängt.“
Was gaukelt das Wort Star im Showtitel also vor? Zumindest die Star-Inszenierung über einige Wochen – allein schon durch die gigantische Bühne vom weltweit renommierten Designer Florian Wieder (arbeitete u. a. für U2 und Jennifer Lopez), mit allen modernen Raffinessen, wie man heute Abend sehen kann. Die Beispiele Christina Stürmer, Tom Neuwirth alias Conchita und Musical-Liebling Lukas Perman zeigen ohnehin, dass man für eine Karriere nicht gewinnen muss. Hätten sie es womöglich auch ohne „Starmania“ geschafft? Die eigentliche Arbeit fängt jedenfalls erst nach dem TV-Show-Ende an.
Die hehre Intention des ORF ist es auch nicht, einen neuen Popstar Österreichs zu etablieren. Was sich auch daran zeigt, dass es im Gegensatz zu den bisherigen Staffeln (2002 bis 2009 mit Pausen) keinen Plattenvertrag für den Sieger bzw. die Siegerin oder eine Prämie von 100.000 Euro gibt, mit der man eigene Lieder dann produzieren könnte (siehe dazu auch Seite 56/57). Es geht um Zuschauerbindung über zehn Wochen – und darum, die über die letzten Jahre an die Privatsender und Streaming-Anbieter verloren gegangene junge (und sogenannte „werberelevante“) Zielgruppe der 12- bis 49-Jährigen, zu erreichen. Zudem ist der Gesangsanteil jedes Kandidaten pro Show bescheiden genug: Gerade einmal 100 Sekunden dauert jeder Songbeitrag. Die nachgesungenen Hits waren aber schon in den Staffeln eins bis vier gekürzt.
An die Erfolgsquote der ORF-Premiere vor fast 20 Jahren wird man aber ohnehin keinesfalls mehr herankommen: Fast 1,6 Millionen Zuschauer (Marktanteil: heute unglaubliche 67 Prozent) verfolgten das finale Match zwischen Tschuggnall und Stürmer. ORF 1 stürzte 2020 auf einen Gesamtmarktanteil von 8,2 Prozent, im Jänner dieses Jahres konnte man sich immerhin auf 12,3 Prozent steigern.
Um Boden beim jungen Publikum zurückzugewinnen, das gern zu „The Voice of Germany“ (Marktanteil in Österreich des letzten Castingevents von ProSieben/Sat.1: 13 Prozent) oder DSDS auf RTL (derzeit 14 Prozent) schaltet, buttert der ORF einen Großteil des Unterhaltungsbudgets in die Neuauflage der Show, die Anfang der Nullerjahre als öffentlich-rechtliche Antwort auf den Gesangscasting-Boom entwickelt wurde. Und daher ohne den augenscheinlichen Voyeurismus der Privaten auskommen soll. Mehr als 400.000 Euro kostet dem Vernehmen nach jede der zehn „Starmania 21“-Sendungen. Auf dem Küniglberg wäre man jedenfalls zufrieden, wenn man bei den besagten Jungen einen Marktanteil von 25 Prozent einfahren könnte.