Der katalanische Musiker Pablo Hasél rappt gegen die spanische Krone des Hauses Bourbon, die Justiz, die Mächtigen und prangert die Ungerechtigkeit der kapitalistischen Welt an. Die spanische Justiz antwortete auf seine Texte mit einer neunmonatigen Haftstrafe. Nach einer Nacht hinter Barrikaden wird Hasél am 16. Februar festgenommen. In den spanischen Großstädten kommt es in der Folge zu gewaltsamen Protesten und Aufrufen internationaler Künstler für die „Freiheit der Kunst“.

„Muerte a los Borbones - Tod den Bourbonen“ ist eines dieser Lieder, das zu seiner Verurteilung geführt hat, weil in Spanien ein Gesetz gilt, das die Beleidigung des Königshauses verbietet. Hasél geht aber weit darüber hinaus und ruft auch zur Gewalt auf. Ob Haséls Texte noch unter die „Freiheit der Kunst“ fallen? Das mögen andere beurteilen. Doch in seinem musikalischen Protest zeigt sich, dass Hip-Hop-Kultur - und der Rap als eine ihrer Ausformungen - im Wesen Protest- und Straßenkultur zugleich ist. Inspririert vom amerikanischen Vorbild aber gewachsen auf den Hinterhöfen der gesamten Welt, in den Banlieues, den Vororten von Paris, in den Plattenbauten Deutschlands und in der Wut auf die spanische Krone. Von den Rändern der Gesellschaft ins Bewusstsein der Öffentlichkeit.

In Europa wurde der Hip-Hop im Frankreich der frühen 1980er-Jahre groß. Dee Nasty brachte 1984 mit „Paname City Rappin“ die erste Platte auf den Markt. In der migrantischen Kultur der Banlieues wurde die Ungleichheit zwischen denen ganz unten und dem Establishment der Mächtigen besungen. Die Vorort-MCs fanden eine Stimme.

Was als Underground-Phänomen begann, kam schnell zu lichten Höhen. Plötzlich fuhren die Rapper in ihren Porsches als Gäste von Talkshows vor. Der aus Senegal stammende MC Solaar hob mit seinem glitzernd-jazzigen Hip-Hop ab. „Prose Combat“ (Kampfprosa) veröffentlichte er 1994, auch das gesampelte „Bonnie & Clyde“ von Serge Gainsbourg fand darauf Platz.Hip Hop ist urban, ist Subkultur und gleichzeitig eine der größten Jugendkulturen der Welt.

Der Fall Hasél ist auch nicht der erste: Die französische Formation Supréme NTM trug ihre Wut aus den Banlieues. Schon mit dem Song „J’appuie sur la gâchette/ Ich drücke auf den Abzug“ bekamen sie Probleme mit der Justiz, 1996 folgte dann eine zweimonatige Haftstrafe, weil man ihnen vorwarf, bei einem Konzert zu Gewalt aufgerufen zu haben.

In Deutschland waren es die Plattenbauten, die als Milieu der Rapper galten. Gangsta-Rap wurde im Soge von Capital Bra oder Sido plötzlich zum Ö3-Chart-Phänomen. Und mit einem mal sangen auch die Wohlstands-Kids von Gewalt, "Bitches ", Drogen und Block-Attitude. In Deutschland waren es Köpfe wie der in Aachen geborene Kool Savas (türkischstämmig) oder Haftbefehl (Kurde), der aus Offenbach heraus die „Block-Romantik“ besang. Der Block, das Viertel, der Plattenbau. Das sind die Themen. Es sind nicht die in den schmucken Villen groß gewordenen Jugendlichen, die den Rap definierten. „Sommernacht in Offenbach“ von Haftbefehl ist so ein symptomatischer Plattenbau-Song.Ziemlich unter die Haut geht auch „Kinder der Straße“ von Godsilla (heute Silla) und Asek. Dieser Song legt alle Themen auf den Tisch: „Vom Leben gezeichnet“ zeigen sich die beiden, auch gepeinigt, sie haben „eine Menge Scheiße gesehen“ und „wollen raus aus dem Plattenbau“. In Österreich hat die Linzer Band Texta die heimische Szene geprägt: Mit Songs wie "So oder So" oder dem Solo-Projekt "Kabinenparty" von Martin Schlager aka Skero.

In England erklomm 2005 M.I.A. textlich und musikalisch ganz neue Sphären. Das erste Album „Arular“ war von der Attitude her ganz klar „Guerilla“. Die tamilische M.I.A. (Mathangi Arulpragasam) legte ein ur-politisches Album vor, der Name selbst erinnerte an die „revolutionary ideas“ ihres Vaters. „I've got the Bombs. To make you blow. I got the beats to make it Bang Bang Bang.“

Angesagt ist auf der Insel momentan Pa Salieu: „They don’t know about block life“, singt der in Gambia geborene Musiker, der bei Warner Records gelandet ist. Musikalisch großartig, legte er 2020 ein beachtliches Album vor. Der in Coventry aufgewachsene Salieu rappt über den Block, die Ungerechtigkeit, darüber, was alle anderen nie verstehen werden. Die Weißen, die Reichen, die Mächtigen.

Hip-Hop-Kultur rüttelt wach, protestiert und dringt sprachlich in neue Welten vor. Und so besitzt Rap-Musik auch performative Kraft - etwas Magisches - wenn sie einen politischen Diskurs eröffnet: "Du tust was du tust, mach es so oder so."

Interview
Peter Piuk und Florian Mikl von "Urban Playground", ein Kärntner Verein zur Förderung der Hip-Hop-Kultur, über Erfolg, Protest und das Wesen dieser Kultur.

Hip-Hop ist auch Protestkultur, warum ist das so?
PETER PIUK: Hip-Hop ist etwas extrem Niederschwelliges. Jede neue Generation, die heranwächst, hinterfragt die bestehenden Verhältnisse. Protest ist aber generell für die Jugendkultur gültig. Die Protagonisten des Hip-Hop kommen oft aus sozial schwächeren Schichten. Sie erzählen aus ihren Lebenswelten und Wirklichkeiten.
FLORIAN MIKL: Hip-Hop und Rap sind ein Spiegel der Gesellschaft, weil Menschen, die nicht aus den oberen Schichten kommen, von ihrem Alltag erzählen, der für viele schrecklich ist, aber so wird der Gesellschaft ein Spiegel vorgehalten. Die Wortwahl des Rappers in Spanien ist nicht ideal, aber wir dürfen froh sein, dass wir in Österreich Meinungs- und Kunstfreiheit haben. Seine Raps sind auch Gesellschaftskritik.


Was passiert, wenn Hip-Hop im Mainstream landet?
PIUK: Die Themen, die die Vertreter des Hip-Hop aufgreifen, sind nicht immer solche, die man gern im Mainstream hat.
MIKL: In den letzten Jahren ist Hip-Hop zur größten Jugendkultur weltweit geworden. Man sieht das auch in den Charts. Hand in Hand geht damit auch, dass Künstler Major-Deals bekommen. Wenn du aber im Radio Airtime haben willst, musst du dich anpassen und die Musik wird poppiger. Dennoch gibt es den Anspruch, Gesellschaftskritik zu verpacken.

Hip-Hop ist zur größten Jugendkultur weltweit geworden - sagt Florian Mikl
Hip-Hop ist zur größten Jugendkultur weltweit geworden - sagt Florian Mikl © Privat


Warum ist Hip-Hop so erfolgreich?
MIKL: Hip-Hop oder Rap sind deshalb so groß, weil es Geschichten sind, die man sonst nur aus Hollywood kennt. Wenn der Rapper Bilder in deinen Kopf malt, ist das wie ein Hollywood-Streifen für das Ohr.
PIUK: Die Texte repräsentieren Lebenswirklichkeiten, die in unserer Gesellschaft existieren, aber nicht gerne an die Öffentlichkeit gebracht werden. Ich will festhalten, dass den Protesten in Spanien absolut Gehör geschenkt werden sollte. Das ist eine Generation, die das Bestehende reflektiert und das kritisch hinterfragt.

Peter Piuk sagt, dass Hip-Hop-Kultur das Bestehende reflektiert
Peter Piuk sagt, dass Hip-Hop-Kultur das Bestehende reflektiert © Privat