Die Kultur pfeift aus dem letzten Loch, weil sich die Regierung, egal ob eine rechte oder eine linke, seit dreißig Jahren nie ernsthaft mit ihr auseinandergesetzt hat.“ In einer Diskussion von rtv-slovenija platzte dem Schriftsteller Vinko Möderndorfer der Kragen. Die Diagnose von Möderndorfer, der vor einem Jahr die Festrede zur Prešeren-Preisverleihung gehalten hat: Vasko Simoniti, von der Tageszeitung Dnevnik als „13. (Nicht-)Kulturminister“ tituliert, habe zwar ein Programm für die Kultur, allerdings laufe das darauf hinaus, die Kultur nach dem rechtspopulistischen Weltbild der Regierung Janez Janša zurecht zu schnitzen.

Dass Simoniti der slowenischen Filmindustrie die gesetzlich verankerte Förderung vorenthalten hat, ist Wasser auf die Mühlen jener, die ungarische Zustände befürchten. Ende 2020 hat Orbáns Regierung die Streichung aller Zuschüsse für unabhängige Kulturinstitutionen und die Schließung des nationalen Kulturfonds geplant. Der Staat will ein Mitspracherecht bei Intendantenbestellungen sowie staatliche Zuschüsse von System genehmen Spielplänen abhängig machen. In Slowenien, wo das Kulturbudget in etwa gleich hoch ist wie das Verteidigungsbudget (zwei Prozent des Staatshaushalts) gibt es fürs erste im Parlament einen Misstrauensantrag gegen Kulturminister Vasko Simoniti.

Laibach, berühmt für seine Drei Brücken (Tromostovje)
Laibach, berühmt für seine Drei Brücken (Tromostovje) © Visit Ljubljana

Für Aufregung sorgte zuletzt auch die Räumung des autonomen Zentrums „Rog“ in Laibach/Ljubljana, das in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Raum für die alternative Szene geworden ist. Das Gelände einer ehemaligen Fahrradfabrik, das seit 2002 der Stadt gehört, wurde nach jahrelangem Streit zwangsgeräumt, die Nutzer wurden unter Gewaltanwendung vertrieben: ohne vorherige Ankündigung und ohne ihnen zu ermöglichen, ihre Sachen wegzuräumen. Nun soll dort ein modernes Kultur- und Kunstgelände entstehen.

Uršula Cetinski, die Direktorin des Cankar Centers
Uršula Cetinski, die Direktorin des Cankar Centers © Peter Uhan/KK

„Bis April sichert der Staat den freien Kulturschaffenden unter bestimmten Bedingungen ein Grundeinkommen zu,“ erklärt Uršula Cetinski, die Direktorin des Cankar Centers. Die staatliche Unterstützung für die große Kulturmaschine im Zentrum von Laibach ist die gleiche wie vor der Pandemie, zusätzliche Finanzhilfe kommt über die Wirtschaftsförderung. Cetinski kann einstweilen noch die Einnahmen aus dem Jahr 2019 nutzen, „aber die Kultur ist weltweit am meisten betroffen. Ohne Unterstützung würde das kulturelle Leben gänzlich erlöschen,“ sagt sie. Da bei einer Öffnung der Spielstätten  – auch in Slowenien sind derzeit bis auf die Museen und Galerien alle Kulturstätten geschlossen – weit weniger Besucher eingelassen werden dürfen als vor Corona, werde es wohl Jahre dauern, bis sich die Kulturszene erholt haben wird. „Auch die Kulturpolitik in den anderen Staaten spielt eine große Rolle, weil die Phase bis zur Normalität wird kein Land alleine stemmen können,“ sagt Cetinski.

Barko Brlek
Barko Brlek © Andraz Kobe/Festival Ljubljana

Deutlich optimistischer ist da Darko Brlek vom Ljubljana Festival. Er rechnet damit, dass sich die Kultur sehr schnell erholen wird, weil „die Zeit, als über Nacht alles anders wurde, die Überzeugung genährt hat, dass Kultur eine Notwendigkeit ist, und stark genug, sich nicht unterkriegen zu lassen.“ Gleichwohl hält er die Kultur in Zeiten wie diesen für ein besonders gefährdetes Pflänzchen. Im Vorjahr hat Brlek zur Eröffnung am Kongressplatz 111 Stühle mit weißen Hussen im Gedenken an die damals 111 slowenischen Covid-Toten aufstellen lassen. Mittlerweile sind in Slowenien 3623 Menschen an Corona gestorben, der 7-Tage-Mittelwert liegt bei 1033. Obwohl alles von der weiteren epidemiologischen Entwicklung abhängt, hat Brlek die 69. Festivalausgabe bereits durchgetaktet und kündigt für den Sommer 2021 Stars wie Plácido Domingo, John Malkovich, Jonas Kaufmann, Martha Argerich oder José Cura an. Anna Netrebko, deren für Ende Jänner geplantes Rezital dem Lockdown zum Opfer fiel, wird am 8. August im Križanke, begleitet vom Symphonieorchester RTV Slovenija als Operndiva nach Laibach zurückkehren.

Cankar Center
Cankar Center © Branko Cvetkovic/KK

Nicht verzagen ist auch die Devise von Aleš Novak, dem künstlerischen Leiter des Borštnik-Theaterfestivals. Die Leistungsschau der slowenischen Bühnen musste im letzten Herbst unmittelbar nach der Eröffnung wegen eines Lockdowns abgeblasen werden. Heuer greift Novak die alte Überlegung auf, das Festival ins Frühjahr an das Ende der Theatersaison zu verlegen. „Wir können das tolle Programm spielen, das wir für 2020 vorbereitet haben,“ kann er aus der Not in dem Fall eine Tugend machen. Aufgrund der Theaterschließung hat er ohnehin keine Wahl.