Die wichtigste Frage vorweg: Warum muss Ihr Chefinspektor Sifkovits, der auch wieder in der „Uhudlerverschwörung“ ermittelt, literweise grauslichen Käsepappeltee trinken?
THOMAS SPIPSITS: Ich kann bestätigen, dass er grauslich ist. Die Sache war die: Der echte Schiffkowitz, also der von STS, trinkt vor Auftritten immer Käsepappeltee, weil er so nervös ist. Als ich meinen Kommissar erfunden hab, wusste ich, der muss unbedingt Sifkovits heißt, weil dieser Name ist in Stinatz weit verbreitet. Und da ist mir der STS-Schiffi und sein grauslicher Käsepappeltee wieder eingefallen.
Sie sind heute als Krimi-Autor hier, aber eigentlich künstlerischer Multifunktionär: Schauspieler, Kabarettist, Musiker, Autor eben. Was kommt jetzt noch?
STIPSITS: Ja, man könnte sagen, ich bin der Harald Mahrer der Kunstszene, so viele Funktionen habe ich. Mit der Idee, einen Krimi mit einer Art Stinatzer Columbo zu schreiben, bin ich schon länger schwanger gegangen. In der Gegend kenn ich mich ja aus, und mein Inspektor sollte ein schrulliger Typ sein, das schwebte mir vor. Da stand aber nicht das große Kalkül dahinter, dass das der Super-Bestseller werden muss. Das erste Buch habe ich sehr entspannt geschrieben - und dann kam tatsächlich der Erfolg, mit dem ich echt nicht gerechnet habe.
Es gibt mittlerweile zwei Stinatz-Krimis. Vom ersten, „Kopftuchmafia“, haben sich unglaubliche 50.000 Stück verkauft. Davon können die allermeisten Schriftsteller nur träumen. Warum funktionieren diese Bücher so gut?
STIPSITS: Ich glaube schon, dass es damit zu tun hat, dass die Geschichten authentisch sind. Und im Südburgenland kenn ich mich halt aus. Mein Vater kommt aus Stinatz, als Kind habe ich alle Ferien dort verbracht.
Das heißt, Sie haben den Stoff bzw. das Lokalkolorit aus den eigenen Erinnerungen destillieren können?
STIPSITS: Es gibt Szenen im Buch, die tatsächlich eins zu eins so passiert sind. Der Klopapiereinkauf der Damen von der Kopftuchmafia zum Beispiel. Weil meine Oma hat zum Papa gesagt: „Heite müss ma Penny-Markt fahren, dort gibts Klopapier im Sonderangebot.“ Und die Oma hat natürlich nicht drei Packungen gekauft, sondern 30. So kleine, nette G’schichtln, die viel über die Mentalität des Dorfes erzählen, kommen in diesen Büchern halt vor – und rundherum ein Kriminalfall.
Krimis boomen ja enorm. Kein Kaff ohne Kommissar. Das tut dem Genre nicht nur gut.
STIPSITS: Mir war immer klar, dass ich keine Bücher schreiben werde, die die Literaturwelt in Atem halten. Ich wollte einfach nur regionale Geschichten schreiben, die die Leser für kurze Zeit in dieses Dorf Stinatz entführen. Ein unterhaltsamer Blick durchs Schlüsselloch. Vielleicht hängt der Erfolg meiner Krimis auch damit zusammen, dass diese Bücher nicht mehr sein wollen, als sie sind.
Jetzt gibt es sicher auch viele Menschen, die sagen: In Stinatz muss man nicht unbedingt gewesen sein. Weder in echt noch in Büchern.
STIPSITS: Dann kann ich nur antworten: Das ist sicher richtig. . .
. . .aber?
STIPSITS: Die Sehenswürdigkeiten in Stinatz sind ja tatsächlich überschaubar. Aber die Sehenswürdigkeiten sind für mich ohnehin die Menschen. Ich hab mit dem Lukas Resetarits, der ja auch von dort kommt, einmal ein langes Gespräch über die Magie dieses Ortes geführt, der sich ja nicht wesentlich von anderen burgenländischen Straßendörfern unterscheidet. Prägend ist sicher die burgenländisch-kroatische Tradition, die sehr behutsam und liebevoll gepflegt wird, die aber nicht diesen nationalistischen, heimattümlichen Beigeschmack hat. Das ist, finde ich, eine angenehme Art der Folklore, verbunden mit einem nicht aufdringlichen Stolz. Und dann, nicht zu vergessen: Allerheiligen. Das ist der Stinatzer Life Ball! Da geht’s um, da ist der Friedhof bummvoll, da sind alle Lebenden des Dorfes versammelt.
Die Toten auch.
STIPSITS: Ja, die auch. Und der Friedhof strahlt taghell. Das macht schon was mit einem. Oder Begräbnisse, die sind in Stinatz immer ein gesellschaftliches Ereignis. Dieses rituelle Verabschieden hat auch etwas Versöhnliches.
Ab und zu werden auch Leichen exhumiert, weil plötzlich ein Mordverdacht auftaucht, das ist dann weniger versöhnlich.
STIPSITS: Ja, aber das passiert eh nur im Krimi.
Müssen Sie sich nicht den Vorwurf gefallen lassen, das Ländliche zu verklären?
STIPSITS: Ich müsste lügen, wenn ich jetzt sagen würde: Nein, tue ich nicht! Die Kehrseite ist natürlich, dass diese dörfliche Nähe, diese Beschaulichkeit, auch schnell kippen kann. Der Nussbaum wächst zu weit ins Nachbargrundstück, die Grillerei dauert zu lange, und der Anwaltsbrief ist schon unterwegs. Das ist nicht nur heile Welt. Auf der anderen Seite haben dörfliche Strukturen für mich trotz allem fast mediterrane Züge. Ich mag das: Man geht zum Nachbarn, möcht sich schnell ein Sagl ausborgen und kommt fünf Stunden später blunznfett zurück. Ich schätze einfach die Menschen dort - der Inspektor Sifkovits übrigens auch.
Der mag sogar die Mörder, die er überführt.
STIPSITS: Sogar die, ja. Weil er eben weiß, dass auch ein Böser Gutes in sich haben kann. Und umgekehrt. Die Guten sind auch nicht immer ohne.
Buchtipp: Thomas Stipsits. Uhudlerverschwörung. Ueberreuter.
176 Seiten, 17 Euro. Der erste Stinatzkrimi trägt den Titel „Kopftuchmafia“ und ist ebenfalls im Buchhandel erhältlich.