Ob es das schönste Geschenk wäre, darüber lässt sich trefflich streiten, aber sich das Wort „Mutti“ in geschwungenen Lettern auf die rechte Wange tätowieren zu lassen, würde Eindruck machen. Und so viel ist sicher: Es wäre ein bleibender. Tätowierungen sind heutzutage echt nicht mehr der Rede wert. Es gibt sie in allen Farben, Formen und Größen und quer durch alle Gesellschaftsschichten sowieso. In der Vielfalt eint sie zumindest eines: Sie sind Botschafter ihrer Träger, ein Index individueller Vorlieben. Und doch ist eines zentral: Die Botschaft muss nach außen hin lesbar sein. Beim Rapper Post Malone ist das auch keine große Schwierigkeit: „always tired“, also immer müde, steht ihm im wahrsten Sinne des Wortes ins Gesicht geschrieben.
Gesichtstattoos sind heutzutage vielleicht noch der letzte kleine Aufreger, weil sie einen versprengten Hauch von Outlaw verströmen. Was liegt, das pickt – das gilt hier mehr denn je. Denn außer Spezial-Make-up und Laser hat man nicht viel mehr Möglichkeiten, um die Tätowierung wieder loszuwerden.
Zuerst denken, dann handeln kann eine lohnenswerte Maxime sein. Denn noch herrscht so etwas wie ein gesellschaftlicher Konsens darüber, wie sichtbar Tätowierungen sein sollten. Und wo, wenn nicht in der Popkultur, werden Grenzen verschoben. Nicht verwunderlich also, dass Rapper wie eben Post Malone, Lil Xan oder 6ix9ine das Gesicht als Werbefläche mit Aufregerpotenzial nutzen. Wobei die Botschaften eher kümmerlich sind. Vielleicht am treffendsten hat es der „Musikexpress“ beschrieben: Im Konterfei von 6ix9ine könne man lesen wie auf der Innenseite einer WC-Kabinentür. Und doch fragen sich seit Längerem sogar schon Lifestyle-Magazine erregt: Wird das Face Tattoo nun salonfähig? Ziemlich sicher nicht.
Es ist ein Hype, der so schnell vergeht wie der letzte Sommer. Und überhaupt: Mit einem Blick in die Geschichte wird schnell klar: Eh alles schon einmal da gewesen und das oft in viel radikalerer Form. Das zeigt auch, dass die Face Tattoos von Lil Xan und Kollegen sind, wonach sie aussehen: Kinderkram. Denn auch wenn wir uns mit Tätowierungen schmücken, nur Schmuck waren sie nie. Das Einbringen von Farbe unter die Haut kannten schon die Ägypter, sogar Ötzi, der Mann aus dem Eis, war tätowiert.
Eine Art Ausweis waren die Hautverzierungen der Maori, der indigenen Bevölkerung Neuseelands. Ta moko nennt man sie noch heute, auch wenn nur mehr wenige diese Hautverzierungen im Gesicht tragen. Mit einem kleinen Hämmerchen, dessen Spitze aus dem Flügelknochen eines Albatros gemacht war, wurde die Farbe in die Haut geklopft. Der überstandene Schmerz war zentraler Teil des Rituals. Oder die Gesichtstätowierungen der Berber, noch heute sieht man auf Märkten in Algerien oder Tunesien alte Frauen, die auf Stirn, Wangen oder Kinn tätowiert sind: Zwar hat jeder Berberstamm seine eigene Symbolik, aber ein Stern symbolisiert Gerechtigkeit und Wahrheit, während das Kreuz für Licht und Offenheit steht.
Aber Achtung bei symbolischen Kreuzen auf der Stirn: Glen Benton, Sänger und Bassist der Metal-Band Deicide, trägt seit Jahren ein Branding von einem verkehrten Kreuz auf der Stirn. Bei ihm heißt das ganz etwas anderes: Er hat schlichtweg einen Vogel.