Jonas Mekas, eine der Legenden des Avantgardefilms, ist tot: Der gebürtige Litauer, der Jahrzehnte in den USA lebte, verstarb am Mittwoch in New York im Alter von 96 Jahren. Damit verliert der Kunstfilm eine seiner Ikonen, wurde Mekas in Porträts doch zu Recht meist der Titel des "Paten des Avantgardefilms" zugesprochen. Zugleich war Mekas ein Universalkünstler mit starken Banden nach Österreich.
Das Leben des am Heiligen Abend 1922 in Semeniskiai geborenen Mekas begann dabei alles andere als einfach. So arbeitete er vor dem Zweiten Weltkrieg in seiner Heimat Litauen zunächst als Theatermacher, wurde aber 1944 von den Nazis in ein norddeutsches Arbeitslager verschleppt. Nach dem Krieg lebte er jahrelang als "Displaced Person" in Alliierten-Camps, studierte allerdings parallel von 1946 bis 1948 in Mainz Philosophie.
Die große Wende im Leben von Jonas Mekas folgte aber 1949, als er mit seinem Bruder Adolfas in die USA emigrierte. Ausgehend von seiner mit geliehenem Geld erstandenen Bolex-Filmkamera machte der energische junge Mann dort alsbald Karriere als Regisseur, Produzent und nicht zuletzt Filmkritiker. So gründete er 1954 gemeinsam mit Adolfas das "Film Culture Magazine", bevor er 1958 begann, für die Kultzeitschrift "Village Voice" zu schreiben.
Seine eigene künstlerische Arbeit führte ihn mit Größen wie Andy Warhol oder Allen Ginsberg, John Lennon oder Salvador Dali zusammen. Zugleich bemühte sich Mekas immer auch um die Institutionalisierung respektive das Renommee des Avantgardefilms. So gründete er 1962 mit Emile de Antonio die unabhängige Film-Makers' Cooperative, bei der sich freischaffende Experimentalfilmer zusammenschlossen. 1964 folgte die angeschlossene Film-Makers' Cinematheque als Forum zur Aufführung der Kunstfilme. Aus ihr ging 1970 dann das von Mekas unter anderem mit Peter Kubelka beförderte Projekt Anthology Film Archives hervor. Dies beherbergt heute die weltgrößte Sammlung von Avantgarde-Filmkunst.
Peter Kubelka ist dabei nicht der einzige Österreich-Bezug Mekas', waren doch die Arbeiten des cinematografischen Vordenkers regelmäßig auf der Viennale zu sehen, für die er 2001 auch zwei Trailer gestaltete. Und 2013 folgte eine große Werkschau von Mekas im Filmmuseum. Dabei blieb Mekas' Arbeitseifer auch im hohen Alter ungebrochen, begann er doch etwa 2007 eine Serie von 365 Kurzfilmen - einer pro Tag des Jahres - über seine Internetseite zu veröffentlichen. "Sich selbst ernst zu nehmen, ist unsinnig", konstatierte Mekas einmal in einem Interview. Diese humorvolle Weltsicht prägte dabei auch seine filmische Arbeit, die zwischen Poesie, Dokumentarismus und Essay angesiedelt ist.
Seine poetische Ader lebte Mekas allerdings nicht nur im Filmbereich aus. Er veröffentlichte Zeit seines Lebens über 20 Prosa- und Lyrikwerke. Zugleich gab der Künstler sein Wissen auch an die jüngere Generation weiter und lehrte jahrelang an der New School for Social Research, dem International Center for Photography, der New York University oder dem MIT.
Und beinahe als 80-Jähriger, beginnend mit der Jahrtausendwende, wagte sich Mekas noch in den dezidierte Kunstbereich vor und setzte sich mit Filminstallationen auseinander, die in renommierten Einrichtungen wie dem Centre Pompidou, dem Museum Ludwig in Köln oder auf der Kasseler documenta zu sehen waren.
So viel Engagement blieb nicht ungewürdigt, erhielt Jonas Mekas doch etwa bei den Filmfestspielen von Venedig 1964 für "The Brig" den Kurzfilmpreis. 2008 folgte aus den Händen von Bundespräsident Heinz Fischer das österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst, 2000 die Ernennung zum Offizier des französischen Ordre des Arts et des Lettres, bevor 2013 die Beförderung zum Commandeur erfolgte. Und seit 2017 war Mekas auch Mitglied der Oscar-vergebenden Academy of Motion Picture Arts.
Trauer löste die Nachricht vom Tode des Künstlers in seiner alten Heimat Litauen aus. Präsidentin Dalia Grybauskaite lobte Mekas laut Nachrichtenagentur BNS als einen freien Geist, der immer eine besondere und einzigartige Welt der Avantgardekunst geschaffen habe, in der sich sein unglaubliches Leben sowie seine große Sensibilität und Offenheit widerspiegle. Auch Premierminister Saulius Skvernelis würdigte den Verstorbenen: "Jonas Mekas konnte mehr in den einfachen Dingen entdecken als andere. Er sah darin außergewöhnliche Schönheit."