Gerade hat die Erste Solistin Olga Esina (32) als „Giselle“ debütiert, jenes Bauernmädchen, das aus gekränkter Liebe dem Wahnsinn verfällt und sich zu Tode tanzt. Eine anspruchsvolle Rolle, zumal Esina erst wenige Monate aus der Babypause zurück ist: „Im ersten Akt springt und läuft man viel. Ich war in der Pause richtig fertig, doch dann kommt noch der zweite Akt, der ganz anders ist“. Jetzt ist sie wieder fit und glücklich, auf der Bühne zu sein, obwohl: „Meine Gedanken sind immer zu Hause. Ich vermisse meine kleine Tochter sehr“.
Zum Glück ist die kleine Adelina gut versorgt, wenn die Mama in der Staatsoper arbeitet. Dann hilft der Papa und Ehemann aus, Kirill Kourlaev (36), der als Erster Solist vor zwei Jahren seine Ballett-Karriere beendet hat. Er hat ein neues Standbein aufgebaut, eine Tanzschule in Wien und eine Produktionsfirma, gemeinsam mit Olga. Seit letztem Jahr veranstalten beide die „Weltstar Gala“ im Volkstheater, zu der internationale Top Tänzer anreisen vom Royal Opera House in London bis zum Bolshoi Theater in Moskau. Geboten wird zeitgenössischer Tanz ebenso wie Klassik. „Ich möchte das in Wien fest verankern, das längst zu einer Tanzstadt geworden ist“. Auch beliebte Tänzer des Staatsballetts machen mit, Eno Peci, Liudmila Konovalova, Jakob Feyferlik, Kiyoka Hashimoto und natürlich Olga Esina. Sie tanzt in einer für sie geschaffenen neuen Choreographie von Eno Peci.
Macht es Kourlaev gar nichts aus, nicht mehr selbst zu tanzen? „Nein, überhaupt nicht. Ich habe viele Pläne. So möchte ich internationale Companies für Gastspiele nach Österreich bringen und selbst Produktionen mit einheimischen Tänzern machen, in ganz Österreich“. Und natürlich erfordert die Tanzschule auch viel Engagement. „Unsere Stärke sind hervorragend gut ausgebildete Tänzer mit bestem pädagogischen Knowhow“. Angeboten wird Ballett für Kinder, Hip Hop, Oriental Dance und Ballettoning für Erwachsene. Die Nachfrage ist groß, was Kourlaev freut. Denn vor allem der klassisch-akademische Tanz ist allgemein weniger nachgefragt.
Ballett hilft sogar, besser Fußball zu spielen
„Das ist in Russland ganz anders“, erzählt der gebürtige Moskauer, der mit sechzehn Jahren nach St. Pölten kam und längst österreichischer Staatsbürger ist. Dort ist Ballett ständig präsent, in den Theatern, im Fernsehen, in den Schulen. Alle wollen tanzen, Frauen und Männer“. Hierzulande meinen viele, Ballett sei zu anstrengend für Kinder oder gar unmännlich. „Alles Unsinn“, sagt Kourlaev. „Ballett ist gut für alle, man lernt Haltung, Disziplin, Teamgeist, Aufmerksamkeit, Motorik“. Auch sei es die beste Grundlage für modernen Tanz. Manche meinen, es wäre schädlich? Kourlaev: „Keinesfalls, wenn es richtig unterrichtet wird“. Mädchen haben in der Regel mehr Affinität zu Ballet. Und wenn ein Bub lieber Fußball spielen will? „Dann soll er, wenn er begabt ist. Aber Ballett hilft sogar, besser Fußball zu spielen“, lacht Kourlaev. „Mehr Ballett wäre gut für alles!“.
Barbara Freitag