Nach der "Dame" im Theater an der Wien, war am Samstag Zeit für "Dantons Tod" in der Wiener Staatsoper - als geplantes Höhepunktdoppel zum 100. Geburtstag von Gottfried von Einem. Nachdem die Kollegen an der Wien zuvor mit dem beliebtesten Stück des 1996 verstorbenen Tonsetzers einen veritablen Erfolg eingefahren hatten, wurde sein Frühwerk im Ring zum soliden Musiktheaterabend.

Regisseur Josef Köpplinger, Intendant des Münchener Gärtnerplatztheaters, stellt bei seinem Staatsoperndebüt die Textverständlichkeit derart in den Vordergrund, dass es selbst dem schwermütigen Georg Büchner ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hätte. Schließlich lieferte dessen gleichnamiges Drama die Vorlage für den noch nicht dreißigjährigen Von Einem, die er für die Uraufführung bei den Salzburger Festspielen 1947 adaptierte.

Eine der wesentlichen Änderungen, die der Komponist dabei vornahm, ist die größere Rolle, die er dem Volk zubilligte - ein Umstand, der "Dantons Tod" zur großen Choroper macht, die bereits Harry Buckwitz bei der ersten Neuinszenierung des Stücks an der Staatsoper vor Herausforderungen stellte. Köpplinger genießt dabei sichtlich die Arbeit mit der Masse, die in historisierenden Kostümen (Alfred Mayerhofer) am Höhepunkt des Terrorregimes des Wohlfahrtsausschusses gezeigt wird.

Szenenbild aus "Dantons Tod"
Szenenbild aus "Dantons Tod" © APA/GEORG HOCHMUTH

Danton hat bereits resigniert und sich mit seinem Ende am Schafott arrangiert, während sich die Menge von den jeweiligen Populisten aufstacheln lässt. Rainer Sinell hat dazu einen leidlich entzeitlichten Raum geschaffen, einen Trichter der Unausweichbarkeit, ein Sinnbild für den Verfall der alten Ordnung, der noch keinen Aufbau kennt. Hier manifestiert sich die Revolution, die ihr Ende sucht, aber nicht findet.

Köpplinger nutzt dabei geschickt die Orchesterzwischenspiele des Musiktheaterpraktikers Von Einem zu kleineren Umbauten auf offener Bühne. Die letztliche Ohnmacht des Volkes symbolisiert die wiederkehrende Geste der Choreuten, sich wie ein ungehorsames Kind, das zur Strafe in der Ecke stehen muss, zur Wand zu drehen. Der vermeintliche Souverän ist hier letztlich Staffage der Mächtigen.

Wolfgang Koch als 'George Danton' und Thomas Ebenstein als 'Robespierre'
Wolfgang Koch als 'George Danton' und Thomas Ebenstein als 'Robespierre' © (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)

Die Sänger der letzteren weisen im Gegensatz zu Köpplinger allesamt breite Staatsopern-Erfahrung auf und gehören überwiegend gar ins Ensemble des Hauses. Wolfgang Koch als Danton müht sich etwas mit den Höhen- und Tiefenanforderungen seiner Partie, während Thomas Ebenstein leicht outrierend den perfekt-unsympathischen Antagonisten Robespierre im Beckmesser-Stil gibt. Herbert Lippert bildet als Desmoulins gemeinsam mit Olga Bezsmertna als Lucile das geradlinig-vibratoarme Stimm- und Liebespaar.

Olga Bezsmertna als 'Lucile'
Olga Bezsmertna als 'Lucile' © APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)

Bei allen steht dabei die Textverständlichkeit im Zentrum, die der Theatermusiker Von Einem zur Maxime erklärt hat. Dies ist allerdings nicht zuletzt der ebenfalls debütierenden Susanna Mälkki am Pult des Staatsopernorchesters zu verdanken. Die Finnin bewältigt den Stilpluralismus der Partitur ebenso sanftgleitend, wie sie der wuchtigen Vorlage an den richtigen Stellen die Dämpfer anlegt, um den Sängern nicht die Chance zum Glänzen zu nehmen.

Als dritter Teil der Einem-Feierlichkeiten folgt nun im August eine konzertante Aufführung seines Stücks "Der Prozess" bei den Salzburger Festspielen. Und dann wird sich alsbald wieder die Frage stellen, ob Von Einem es nach seinen einstigen Erfolgen auch abseits von Jubiläumsjahren wieder auf die regulären Spielpläne schafft.