Diese Frage ist bei Interviews verpönt, aber in Ihrem Fall erlaube ich sie mir: Wie geht es Ihnen?
WILFRIED SCHEUTZ: Leider nicht besonders gut. Ich habe einige Metastasen im Kopf, und das verursacht mir große Probleme. Ich muss irrsinnig aufpassen, dass ich nicht aus die Socken kipp. Und um das zu verhindern, muss ich Medikamente nehmen, die mein Leben sehr beeinträchtigen.
Sie hatten zum Glück die Kraft, eine neue CD aufzunehmen. Sie heißt „Gut Lack“. Wer kam auf dieses geniale, in Ihrem Fall tragisch-ironische Wortspiel?
WILFRIED SCHEUTZ: Ich sag's ungern, aber das war ich. Als ich ein Teenager war, gab es die Halbstarken. Und die hatten einen eigenen Spruch. Der lautete: Das hat einen Lack! Das hat bedeutet, dass etwas gut ist, großartig, glänzend, kurz: dass es eine Ausstrahlung hat. Dazu habe ich einen Text geschrieben, der dann - wie übrigens die gesamte neue CD - von meinem Sohn Hannibal und dessen musikalischem Herzbruder Carlos Barreto-Nespoli vertont wurde. Ursprünglich wollte ich die CD nur „Lack“ nennen, aber der Wortwitz entsteht erst durch das „Gut“. Deutsch geschrieben, aber man denkt sofort ans Englische.
Stimmlich und textlich ist „Gut Lack“ eine typische Wilfried-Platte, das Neue ist die Musik. Die Songs glänzen zwar, aber sie sind alles andere als glatt.
WILFRIED SCHEUTZ: Das freut mich, wenn Sie das so hören. Die beiden jungen Burschen kennen mich ja gut, der Hannibal schon sein Leben lang. Und sie haben sich auf mich eingelassen. Sie haben mich gefordert und gefördert. Das war ein wunderschönes Erlebnis. Dazu kommt, dass ich immer schon neue musikalische Einflüsse aufgesogen habe, um nicht geistig zu versumpern. Ich gehöre nicht zu diesen älteren Herrn, die sagen: Der einzige gute Gitarrist auf dieser Welt ist der Eric Clapton.
Die neuen Songs klingen wie ihr Schöpfer, also Sie: Sie ecken an, sie rumpeln, sie krachen. Musikalisch führen mich die Songs von Bad Goisern über Kalkutta und Rio bis nach Louisiana.
WILFRIED SCHEUTZ: So ticke ich auch im Kopf! Und so koche ich übrigens auch. Ich hab's leider nie geschafft - und ich fürchte, so viel Zeit habe ich nicht mehr -, ein Kochbuch zu schreiben. Da wäre es um den Zusammenhang der Weltküche gegangen. In unserem Kulturverein, den ich gemeinsam mit meiner Frau betreibe, schauen wir auch, weil ich das ebenfalls für Kultur halte, guten Fußball. Und meine Leidenschaft ist es, für die Gäste typische Landesgerichte der jeweils spielenden Mannschaften zu kochen.
Sie sind bekannt dafür, sich kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Ein Zitat von Ihnen: „Ich bin als Mensch nicht ein absichtlicher, aber ein stattfindender Querulant.“ Was ist damit gemeint?
WILFRIED SCHEUTZ: Wer immer nachgibt, ist ein Duckmäuser, und das war ich nie. Ich bin aber kein Querulant, der Querulanz um der Querulanz willen betreibt, das wäre Rechthaberei. Ein stattfindender Querulant hingegen besteht auf seiner Meinung, auch dann, wenn die Masse was anderes sagt. Diese Haltung ist oft anstrengend und hat mir nicht nur Freude und Freunde beschert im Leben.
Aber wäre nicht statt Querulant Querkopf das bessere Wort?
WILFRIED SCHEUTZ: Ja, da haben S' wohl recht. Ich bin ein Querkopf.
Ein Lied auf der neuen CD heißt „Mir reichts“. Darin lassen Sie Ihrer Wut auf die Wutbürger freien Lauf. Warum sind Sie so wütend auf diese „Götter der Tirade“?
WILFRIED SCHEUTZ: Ein Wutbürger war anfangs ein Mensch, der auf seiner Meinung besteht, aber auch die anderen leben lässt. Dass die Leute nicht immer die Pappen halten, ist ganz in meinem Sinn. Aufbegehren finde ich großartig. Aber dass jetzt jeder ungebildete Trottel im Internet, aber auch in Fernsehsendungen und bei Leserzuschriften raunzt, ohne dass er sich vorher informiert hat, worum es überhaupt geht, ist eine Katastrophe. Das verhindert die Entwicklung des Staates und das Vorankommen der Menschheit. Es macht die tollsten Sachen und besten Ideen zunichte. Man muss zum Beispiel nicht jedes schiache Gebäude in die Stadt bauen. Aber dass jeder Depp sagen kann: „Na, i mog des Haus dort net“ - das ist Schwachsinn. Der Wutbürger heute will deshalb wütend sein, weil das offenbar ein geiles Gefühl ist. Es macht ihm eine maligne Freude - und ich weiß aufgrund meines Tumors leider sehr gut, was maligne bedeutet: bösartig.
Vom Wutbürger zum „Trottel“, auch ein Song auf der CD.
WILFRIED SCHEUTZ: Ich weiß wenigstens, dass ich einer bin.
Gab es besonders große Trotteleien in Ihrem Leben?
WILFRIED SCHEUTZ: Oh ja, einige. Ich habe auf alle Fälle zu viel gesoffen. Und manchmal war ich zu bequem. Ich habe so viel gemacht, aber es ist mir immer noch zu wenig.
Der letzte Satz des letzten Liedes lautet: „Drum lass mich tun, was ich tun muss.“
WILFRIED SCHEUTZ: Nicht falsch verstehen, bitte. Ich werde mich nicht von der Brücke stürzen.
Banale Schlussfrage: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
WILFRIED SCHEUTZ: Dass ich noch ein paar Tage habe, Zukunft nämlich. Wenn es Wochen sind, freue ich mich noch mehr.
Von Bernd Melichar