Als Weltraumarchitektin arbeitet Barbara Imhof sonst mit der NASA und der europäischen ESA zusammen. Ihr Unternehmen Liquifer aus Wien ist maßgeblich an internationalen Projekten zur Gestaltung von Weltraumstationen beteiligt. Doch diesmal tüftelt die Österreicherin nicht mit Astronauten an Raumschiffstrukturen, sondern sitzt mit dem südamerikanischen Künstler Paul Rosero im Antarktisschnee.
Vor ihnen steht Roseros jüngstes Kunstprojekt. In der klimatisierten, mehrfach verglasten Plexiglaskapsel hält er eine tropische Kakaopflanze am Leben - mitten in der Antarktis. Das Kakaopflanzen-Projekt soll zu einer weniger apokalyptischen und zukunftsorientierteren Umweltschutzdebatte anregen. Der Künstler aus Ecuador beschäftigt sich schon seit Jahren mit Pflanzen, Algen, Gewächshäuser und Mikroorganismen für seine wissenschaftlichen Kunstprojekte.
Testgebiet im Eis
Für Imhof sind die Kenntnisse und die künstlerische Kreativität Roseros hochspannend. Denn bereits im kommenden Herbst will sie in Zusammenarbeit mit anderen Instituten ein Jahr lang auf der deutschen Forschungsstation Neumayer III in der Antarktis ein technisch hoch entwickeltes Gewächshaus ausprobieren. Sie will erforschen, wie man auf zukünftigen Mond- und Marsmissionen vor Ort hochwertige Lebensmitteln angebaut werden können. "Die Antarktis ist dafür das perfekte Testgebiet, denn hier herrschen ähnlich extreme klimatische Bedingungen wie auf dem Mond und dem Mars. Hier haben wir Weltraum zum Anfassen", erklärt Imhof der APA.
Imhof möchte Paul Rosero gerne in das Gewächshausprojekt einbinden. Doch was bringt einen südamerikanischen Künstler und eine österreichische Weltraumarchitektin ausgerechnet in der Antarktis zusammen? Die erste Internationale Antarktis-Kunstbiennale. Zehn Tage lang fuhr die vom russischen Künstler Alexander Ponomarev ins Leben gerufene Kunstexpedition unter Unesco-Schirmherrschaft auf einem russischen Forschungsschiff entlang der Küste der Antarktischen Halbinsel. An Bord befanden sich neben Künstlern und Musikern aus verschiedensten Ländern auch zahlreiche internationale Wissenschafter, von Ozeanografen und Polarwissenschaftlern über Biosphärenforscher und Technologievisionären bis hin zu Philosophen.
Neues Biennale-Format
Die Antarktis ist laut den internationalen Verträgen von 1959 ein internationales Territorium, das ausschließlich für kreative Aktivitäten und für wissenschaftliche Forschung im Interesse der Menschheit genutzt werden darf. "Ich wollte nicht einfach eine Kunstbiennale erschaffen. Von denen gibt es viele. Ich wollte ein ganz neues Biennale-Format kreieren und hier in der Antarktis, wo vor allem Wissenschafter arbeiten, Kunst und Forschung zusammenbringen, damit sie sich gegenseitig inspirieren", erklärt Alexander Ponomarev an Bord des russischen Forschungsschiffs "Akademik Sergey Vavilov". Er will einen interkulturellen und interdisziplinären Dialog über die Zukunft gemeinsam benutzter Räume anregen.
Wie funktioniert das Zusammenleben und Arbeiten von Menschen verschiedenster Disziplinen und Nationalitäten in einem internationalen Raum, in dem sie auf engem Raum und klimatisch extremen Bedingungen leben? Das sind auch wichtige Fragen für die Weltraumarchitektur. So realisierte Barbara Imhof, unterstützt vom österreichischen Bundeskanzleramt, mit den Biennale-Teilnehmern während der Reise verschiedene Umfrage zu diesem Thema. Die Interviews werden in ihrer Radiosendung "Space Specials" auf Radio Orange FM 94.0 zu hören sein.
Gemeinsame Sache
Die experimentelle Kunstexpedition zeigte jedoch, dass es nicht immer einfach ist, Künstler und Wissenschafter für gemeinsame Projekte zu animieren. "Dabei können sie viel voneinander lernen. Künstler können Wissenschafter zu mehr Kreativität und Spontanität anregen, während Forscher Künstlern Fachkenntnisse und technische Hilfe für die Kreation ihrer Werke vermitteln können", erklärt Tatiana Kourochkina vom Biennale-Organisationdteam.
Die russische Kunstexpertin leitet in Barcelona die Quo-Artis-Stiftung, die sich darum bemüht, Wissenschafter und Künstler zusammen zu bringen. "Man wird vielleicht erst nach der Biennale sehen, ob die Diskussionsrunden und das intensive Zusammenleben an Bord später zu konkreten Projekten zwischen Forschern und Künstlern führen. Die Biennale ist eine Art Startpunkt für eine gemeinsame Plattform, die nun entstehen soll", so Kourochkina.
Kampf gegen Gletscherschmelze
Die Idee scheint zu funktionieren. Der argentinische Künstler Joaquin Fargas und die schwedische Biosphärenforscherin Lisen Schultz planen bereits, ein gemeinsames Projekt zu starten. Mit seinen "Glaciator"-Roboterinstallationen kämpfte Fargas auf der Biennale symbolisch gegen die von den Menschen beschleunigte Schmelze der Gletscher an. "Wir beschäftigen uns beide, und jeder auf seine Weise, mit dem komplexen Verhältnis zwischen Menschen und Natur. Wir können uns bestimmt gegenseitig inspirieren", meint Lisen Schultz.