Kaum haben Musikfans das Ableben des Pop-Chamäleons David Bowie einigermaßen verwunden, ging gestern die nächste Hiobsbotschaft um die Welt: US-Star Prince ist tot, verstorben im 58. Lebensjahr. Ein Pressesprecher des exzentrischen und hochkreativen Multiinstrumentalisten und über vier Jahrzehnte vielseitig kreativen Künstlers ließ dessen Tod amtlich werden: "Ich bestätige in tiefer Trauer, dass der legendäre Kultstar Prince an diesem Morgen in seiner Paisley-Park-Residenz gestorben ist."

Todesursache noch unklar

Am 16. April war berichtet worden, dass sich der 1958 in Minnesota Geborene nach einem Konzert in Atlanta mit grippeähnlichen Symptomen unwohl fühlte – so unwohl, dass sein Privatjet in Illinois zwischenlanden musste. Zuvor hatte er bereits zwei Konzerte absagen müssen. Fünf Tage später hörte sein Herz auf zu schlagen, der leblose Körper wurde in seiner Villa in Minnesota gefunden. Die genaue Todesursache war am Freitagabend noch unklar.

1978 gilt als Startlinie der beinahe 40-jährigen Musikkarriere des nur 1,58 Meter großen, aber die Konkurrenz über viele Jahre überragenden Musikers. In Schubladen gesteckt zu werden, als handzahm vermarktet zu werden, war Prince Rogers Nelson, wie er eigentlich mit ganzem Namen hieß, von Beginn an zuwider: Er rührte gekonnt eine feurige und eigenwillige Melange aus Pop, Jazz, Soul und sehr viel Funk an und schuf etwas ganz Eigenes daraus. Obwohl stimmlich enorm wandlungsfähig, mit exzentrischer Bühnenpräsenz gesegnet und mühelos wunderbare Melodien aus dem Ärmel schüttelnd, ließ der Durchbruch auf sich warten. 1982 legte er mit dem Doppelalbum "1999" bereits sein fünftes Werk vor, der Durchbruch glückte dann aber erst 1984 mit "Purple Rain". 24 Wochen blieb das Album ununterbrochen auf Platz eins der US-Albumcharts – als Draufgabe gab es mehrere Grammy Awards, einen Oscar für den gleichnamigen Musikfilm und vor allem die Hitsingle "When Doves Cry" sowie die titelgebende, haltbare Samtballade "Purple Rain". Ein verquerer Superstar war geboren und gekommen, um zu bleiben.

Die goldenen Jahre


Der Amerikaner legte Hit um Hit vor, Ohrwurm nach Ohrwurm nach: "Kiss", "Sign o' the Times", "Let's Go Crazy", "Alphabet Street", "Batdance", "Cream", „Diamonds and Pearls", "Sexy MF". Und er hatte viel zu bieten: Falsett-Gesang, ein offen mit sexuellen Konnotationen spielendes Auftreten (das Albumcover von "Lovesexy", auf dem Prince völlig nackt zu sehen war, sorgte 1988 für einen Skandal), unbändige Spiellust und Brillanz an den meisten Instrumenten, die auf seinen Platten zu hören sind. "Produziert, arrangiert, komponiert und vorgetragen von Prince", war da nicht ohne Stolz auf seinen Covers vermerkt. Waren die 1980er-Jahre die Dekade, wurde es in den frühen Neunzigern schwieriger für Prince. Als Künstler und als Individuum wuchs seine Angst um sein künstlerisches Eigentum.

Anfang 1993 brach der Konflikt zwischen Prince und Warner Bros. Records offen aus. Am 7. Juni 1993, dem 35. Geburtstag des Musikers, wurde bekannt, dass Prince seinen millionenschweren Künstlernamen in ein unaussprechbares Symbol ändere, um gegen Ausbeutung zu demonstrieren. Als Reaktion gab es Spott, Gerüchte um zunehmend unberechenbares Verhalten des Querkopfs – und auch Fans sprangen ab. Prince polarisierte mehr denn je. Auch die Presse konstatierte, dass "die Löcher zwischen cleveren Tricks auf jeder Platte größer werden." Der zumindest kommerziell fallende Star probierte es verstärkt mit Pressearbeit, allerdings auf seine eigene Art, was die Verwirrung nur noch wachsen ließ: In einem Interview mit dem britischen Magazin "Time Out" ließ er 1995 – in dritter Person von sich sprechend – wissen: "Prince hat früher nie Interviews gegeben. Sie müssen da schon Prince fragen, weshalb er so gehandelt hat, und im Moment reden Sie ja nicht mit ihm. Sie reden mit mir."

Die Karriere dümpelte dahin

2000 trat der Musiker schließlich wieder mit seinem ursprünglichen Namen an, das unaussprechbare Symbol sei ein Mittel gewesen, sich von "unerwünschten Beziehungen" zu lösen. Die Karriere kam trotzdem nur noch recht schleppend wieder in Schwung. Von 2001 bis 2015 veröffentlichte der Rastlose elf Alben, sehr viele Hits waren darauf nicht mehr zu finden. Prince konnte in seiner Karriere über 100 Millionen Tonträger verkaufen, inspirierte auch viele andere Künstler, laut "Boston Globe" zählte Prince zu den meistgecoverten Künstlern seiner Zeit.

Als große Trumpfkarte spielte Prince bis zuletzt seine Live-Konzerte aus: Er gab in seiner Karriere bei über 30 Tourneen den Entertainer, trat nicht selten nach seinen ohnehin ordentlich bemessenen Auftritten noch einmal an zunächst geheim gehaltenen Orten vor kleinem Publikum auf. 15- oder 20-minütige Medleys, bei denen er von der Gitarre zum Klavier wechselte oder auch einmal das Schlagzeug bearbeitete, waren dabei die Regel, nicht die Ausnahme. Seine künstlerische Bedeutung konnte meist mithalten: Eine Ikone, die etwas Eigenständiges kreierte und nicht Trends – wie das heute üblich ist – wiederkäute. Innovation kommt in der Populärkultur inzwischen nicht mehr oft vor.

Privates war tabu

Sein Privatleben schirmte Prince bis zuletzt beharrlich ab. Bekannt ist: Er war zwei Mal verheiratet, einmal von 1996 bis 2000, einmal von 2001 bis 2006. Sein Sohn Boy Gregory, der 1996 zur Welt kam, verstarb eine Woche nach der Geburt. 2016 ließ der Veganer wissen, an seinen Memoiren mit dem Titel "The Beautiful Ones" zu arbeiten. Wer hätte da ahnen können, dass das finale Kapitel, der Abschiedsakkord in seiner Biografie, früh kommen würde?

"Ich vermisse meinen Bruder", trauerte der schwarze Regisseur Spike Lee als einer der Ersten. "Prince war ein sexy Kerl. Großartiger Sinn für Humor." Den eingangs erwähnten Aderlass an großen Musikern kommentiert ein User auf Twitter so: "Gott stellt sich da oben wohl die geilste Band der Welt zusammen." Ein anderer meint launig: "Werden im Himmel jetzt nicht langsam schon die Gitarren knapp?"

Seine Fans gaben ihm einen "Kiss" zum Abschied mit.