Just am Tag nach den Terroranschlägen in Paris ein Stück herauszubringen, in dem Paris als Stadt der Vergnügungen fungiert, ist ein problematisches Unterfangen. Die Grazer Oper rechtfertigte ihre Premiere des in seiner Vaterstadt schon lange nicht mehr gespielten "Opernballs" von Richard Heuberger mit einer dem Programmheft beigelegten Erklärung, in der man lesen konnte: "Unser Mitgefühl gilt den Opfern und Angehörigen der Terroranschläge in Paris in der vergangenen Nacht. Der Originalschauplatz der Operette 'Der Opernball' von Richard Heuberger ist ein anderes Paris - ein Paris in der Faschingszeit, voller Lebensfreude und Vitalität. Wir hoffen, dass wir mit den Mitteln unserer Kunst dem Schrecken der Realität etwas entgegensetzen können."

Das ist der Grazer Oper weitgehend gelungen, obwohl sie gezielte Eigenwerbung betreibt. Das zentrale Element des Bühnenbilds von Friedrich Eggert ist nämlich ihre eigene Feststiege mit den goldenen Puttenlampen. Sie ziert im ersten Akt das Palais der Familie Duménil, hat im zweiten Akt nach dem Wegziehen der vielen Samtvorhänge auch noch Platz für die vier ominösen Chambres separées und rotiert dann, der Katerstimmung entsprechend, ernüchternd durch den dritten Akt.

Neue Textfassung

Hier bricht Regisseur Bernd Mottl, der den ersten Akt noch in der Zeit des Aufkommens des Automobils angesiedelt hatte, endgültig die Form illusionistischen Theaters. Erweckten schon im zweiten Akt die Lackkostüme von Alfred Mayrhofer und die Choreographie von Andrea Heil den Eindruck, sie seien für den Life Ball konzipiert, so tritt nun das plötzlich über ein Handy verfügende Hausmädchen Hortense teilweise ganz aus ihrer Rolle. In dieser Produktion liest und zitiert die Perle gerne Karl Marx - ein Einfall von Peter Lund, der nicht nur die Dialoge zum Großteil neu geschrieben, sondern bisweilen auch die Gesangstexte bearbeitet hat - über weite Strecken mit viel Witz und nur selten das Niveau aus den Augen verlierendem Geschmack.

Unter der routinierten Stabführung von Marius Burkert agiert auf der Bühne ein stimmiges Ensemble. Sieglinde Feldhofer zieht als gewitztes Kammermädchen Hortense die Fäden, Margareta Klobucar öffnet als abgebrühte Pariserin ihrer von Nadja Mchantaf mit glaubwürdiger Naivität ausgestatteten Freundin Angèle aus der Provinz die Augen und die große Schauspielerin Lotte Marquardt feiert als dominante Tante Palmyra ein gelungenes Comeback auf der Bühne. Bei den Herren wartet Martin Fournier als Georges Duménil mit einem kultivierten Tenor aus, der Bariton Ivan Orescanin zieht in der Rolle des Paul Aubier als Möchtegern-Don-Juan aus der Provinz alle Register. Alexander Kaimbacher reift als Henri zum Mann, János Mischuretz kommt als gewitzter Oberkellner Philippe kaum mit dem Einstecken des ihm zugesteckten Trinkgelds nach und Gerhard Ernst, der in der letzten "Opernball"-Aufführungsserie der Wiener Volksoper ebenfalls in dieser Rolle geglänzt hatte, mimt nun nicht minder gekonnt den in die Jahre gekommenen und unter dem Pantoffel seiner Gattin stehenden Lebemann Theofil Beaubuisson.