Dass die Theaterversion gegenüber der Romanvorlage zwangsläufig vieles einbüßt, das zur Nachvollziehbarkeit der nunmehr gestrafften Abläufe beitragen würde, liegt in der Natur der Sache, ist der anhaltenden Zugkraft des mittlerweile an über 40 Theatern gespielten Stücks jedoch offenbar nicht abträglich. Auch in Berndorf verfehlt die Geschichte dieser sich im Internet anbahnenden Amour fou nicht ihre Wirkung, wiewohl sich doch auch schon erste Spuren von Patina zeigen. In einer von Google, Facebook und iPhones geprägten Gegenwart wäre es etwa kaum noch denkbar, eigene Anonymität - optisch und auch sonst - zu wahren.

Geteilt in zwei fast identische Hälften präsentiert sich die Bühne. Zwei große Fenster geben den Ausblick frei auf Hochhausschluchten, die eher nicht in Wien zu finden sind, sondern vielleicht in amerikanischen Großstädten. Darüber ziehen Wolken über den blassblauen Himmel, es schneit und regnet und blüht draußen je nach Jahreszeit. Martin Gesslbauer, der für Regie und Bühnenbild verantwortlich zeichnet, lässt das schreibfreudige Paar die Mails sprechen, dazu lesen, trinken, gymnastische Übungen treiben und diverse Sitzgelegenheiten benützen.

Sprenger als Emmi ist geradezu ideal besetzt: eine durchaus attraktive, ebenso herbe wie emotionale, geistreiche und sprunghafte, zwischen verspielter Koketterie und blanker Hilflosigkeit wechselnde mittel-junge Frau. Ihr Gegenüber mit den fettigen zurückgebundenen Haaren hat es nicht einfach, da mitzuhalten, zumal man den Bemitleidenswerten in ein unvorteilhaft enges Trikot steckt und mit herunterhängenden Hosenträgern ausstaffiert. So ein Typ hätte vermutlich gar keine Chance beim realen Treffen. Zu dem es ohnehin nicht kommt.

Der Teufel liegt wie so oft im Detail. Wenn Leo angeblich im Dachgeschoß wohnt, aber der Blick aus dem Fenster dem widerspricht. Wenn die musikalischen Einsprengsel samt und sonders aus der noch ziemlich internetfreien Zeit stammen. Und wenn eine Vorstellung nach zweieinhalb Stunden zu Ende ist, die laut Programmheft eindreiviertel Stunden dauert. Aber sei's drum: Auch diese Produktion wird sich vermutlich als Renner erweisen.

Für 2016 plant Sprenger gleich drei Stücke: "Grimms Greatest Hits", eine von Robert Kolar erstellte Fassung der "Kaktusblüte" mit Rita Hatzmann und Alexander Jagsch sowie Baryllis "Honigmond" in der Regie von Gerold Rudle.