Gesichter, übermalt von Arnulf Rainer, sind zu Ikonen der österreichischen Nachkriegskunst geworden: Dank seines umfangreichen Werks, das über die markante Übermalung bis zur Fotografie in späteren Jahren reicht, ist Rainer seit Jahrzehnten in den Museen der Welt zu Hause und hat einen Dauerplatz an der Spitze der hiesigen Kunstschaffenden.
„Ich bin ein Mensch, der immer arbeiten muss“, sagte Arnulf Rainer, der am Montag 85 wird, im Vorfeld seiner großen Retrospektive in der Albertina, die noch bis zum 6. Jänner in Wien zu sehen ist. Auf seinem Wohnsitz nahe Passau steht der Künstler bereits um 6 Uhr früh auf, um dann bis 14 Uhr produktiv zu sein. Sich auf seinem Erfolg auszuruhen, kommt ihm nicht in den Sinn. Dabei könnte er es sich leisten: „Ich werde behandelt wie ein toter Künstler“, sagte er im Sommer vor Journalisten in Hinblick auf das allseitige Interesse an seinem Œuvre.

Ungebrochene Kreativität

Auf der renommierten „Kunstkompass“-Liste der international meistbeachteten zeitgenössischen Künstler liegt Rainer unter den Österreichern konstant voran und belegt 2014 Rang 64. Auch dies ist nicht zuletzt der ungebrochenen Kreativität des Künstlers zu verdanken, der neben seinem Passauer Domizil auch von seinem adaptierten Bauernhof im Innviertler Enzenkirchen, aus Wien oder im Winter aus Teneriffa seine Galeristen mit immer neuen Werken bedient.
Geboren wurde Arnulf Rainer am 8. Dezember 1929 in Baden bei Wien. Von 1940 bis 1944 besuchte er die Nationalpolitische Erziehungsanstalt in Traiskirchen und danach die Staatsgewerbeschule in Villach, wo er 1949 maturierte. In der Folge wurde er in Wien sowohl an der Hochschule für angewandte Kunst als auch für bildende Kunst aufgenommen, die er aber beide nach wenigen Tagen wegen Kontroversen mit seinen Lehrern verließ. Gemeinsam mit Ernst Fuchs, Anton Lehmden, Arik Brauer, Wolfgang Hollegha und Josef Mikl gründete er 1950 die „Hundsgruppe“ und begegnete 1953 dem kunstsinnigen Priester Otto Mauer. In dessen legendärer „Galerie nächst St. Stephan“ war Rainer schließlich mit seinen ersten Einzelpräsentationen sowie mit Hollegha, Mikl und Markus Prachensky als Malergruppe „Galerie St. Stephan“ zu Hause.
Mit Beginn der 50er-Jahre wandte sich Rainer nach erstem Interesse für Surrealismus und Informel seinen für ihn charakteristischen Übermalungen zu. Eigene und fremde Bilder, Selbstporträts und Fotos kamen ihm unter Farbe, Kohlestift und Kugelschreiber. 1961 wurde er in Wolfsburg wegen öffentlicher Übermalung eines prämierten Bildes gerichtlich verurteilt.

Umstrittener Künstler

Wegen seiner radikalen Verhüllung von oft auch religiösen Symbolen war Rainer jahrelang umstritten – von kirchlicher Seite wurde seine Arbeit aber mit mehreren Auftragsarbeiten und mit Ehrendoktoraten der Universität Münster und der Privatuniversität Linz zunehmend gewürdigt.
Ab 1963 arbeitete Rainer in verschiedenen Studios in Berlin, München, Köln und schließlich Wien, wo 1968 im Museum des 20. Jahrhunderts auch seine erste Retrospektive stattfand. Als ihm 1974 der Kunstpreis der Stadt Wien verliehen werden sollte, verweigerte er die Teilnahme an der Übergabe-Zeremonie und der Preis wurde ihm wieder aberkannt. 1977 nahm er an der documenta 6 teil, ein Jahr später vertrat er Österreich bei der Biennale von Venedig.
Im November 1978 erhielt er den Großen Österreichischen Staatspreis und wurde im gleichen Jahr Mitglied des Österreichischen Kunstsenates. Der Auszeichnungsreigen sollte 2005 gekrönt werden, als Rainer als erster nicht spanischer Künstler den Aragon-Goya Preis für sein Lebenswerk erhielt. Zuletzt, Anfang November 2014, ehrte ihn sein Heimatbundesland mit dem „Großen Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich“.
Ab 1981 hatte Rainer eine Professur an der Akademie der bildenden Künste in Wien inne. Dort wurden 1994 allerdings 36 Bilder, die in seinem Akademie-Atelier aufbewahrt waren, übermalt und beschädigt. Ermittlungen gegen Rainer selbst und seine Galeristin wurden im Jahr darauf eingestellt, ein Täter wurde nie dingfest gemacht. Rainer selbst ließ sich auf den Schock hin auf eigenen Wunsch emeritieren.

Weltweite Würdigungen

Die Museen der Welt würdigten die künstlerische Arbeit des Malers mit zahlreichen Personalen und Retrospektiven – vom Centre Pompidou in Paris (1984) über das Guggenheim in New York (1989) bis zur Pinakothek der Moderne in München, die Rainer 2002 einen eigenen Raum widmete. 2009 wurde in Baden, seiner Geburtsstadt, das eigens ihm gewidmete Museum im einstigen Frauenbad eröffnet.