Die zwei Gesichter von Oasis: In der Wiener Stadthalle hatte im Sommer 2000 Sänger Liam Gallagher ohne seinen kurzfristig ausgestiegenen Bruder und Gitarristen Noel einen Alptraum von Konzert abgeliefert. Am Donnerstagabend kehrte die Band an den Ort des Debakels zurück und feierte einen Kantersieg: Mit viel Freude und einer guten Songauswahl spielten Oasis ihr bisher bestes Österreich-Gastspiel. Die beiden streitbaren Brüder mögen älter geworden sein, ihre Hymnen klingen immer noch frisch.

Unterschiedliche Hotels für die Brüder. Ja, Geschichten gibt es immer noch genug rund um die Brit-Pop-Helden einer ganzen Generation. So wohnten Liam und Noel in der Bundeshauptstadt selbstverständlich in unterschiedlichen Hotels. "Er ist ein hässlicher Arsch und ich bin ein gut aussehender Arsch. Das ist der Unterschied", ließ der Sänger gegenüber dem englischen Magazin "Mojo" neulich über seinen Bruder wissen. Aber auf der Bühne funktionieren die beiden als Oasis wieder hervorragend: Der großkotzige "Rock 'n' Roll Star" (so auch der Titel des ersten Songs im Programm) am Mikro und Noel, der Liederschreiber und dabei "geniale Dieb" (Zitat aus dem "Rolling Stone"), an der Gitarre.

Wieder eine "echte Band". Von Anfang an dynamisch legten Oasis auf einer stilvollen, an die 60er Jahre erinnernden Bühne los und ließen das testosterongeladene "Rock 'n' Roll Star" mit einer Gitarrenorgie ausklingen. Mit Gem Archer hat Noel längst einen kongenialen Partner an der zweiten Gitarre gefunden. Auch Bassist Andy Bell gehört bereits zur Stammformation und bildet ein solides rhythmisches Rückgrat. Allmählich setzen sich die zunächst im musikalischen Radau gut versteckten Keyboardklänge von Jay Darlington durch, und der neue Drummer Chris Sharrock passte sich der Leistung des Ensembles an. Oasis sind wieder eine echte Band, das hört man. Darum kamen vermutlich auch knapp 10.000 Besucher - ein Rekord für die Gruppe in Wien.

Klassiker. Liam, der coole Steher am Bühnenrand, brauchte ein paar Stücke, bis seine Stimme so richtig warm wurde, um dann beim ersten Höhepunkt, dem ausgerechnet von Archer komponierten, psychedelischen "To Be Where There's Life" vom aktuellen, recht unterschiedlich bewerteten Album "Dig Out Your Soul" souverän in den sich auftürmenden Gitarrenwände zu bestehen. Dass Noel eigentlich die wärmere, feinere Stimme hat wurde spätestens bei dem von ihm wunderbar vorgetragenen "Masterplan" unterstrichen. Das neue Material gefiel gut, die Klassiker jedoch ließen das entgegen der Qualität der Darbietung mitunter seltsam verhaltene Publikum doch noch ausflippen.

Mega-Chor. "Wonderwall" geht in der aktuellen Fassung noch immer nicht auf die Nerven, "Champagne Supernova" besticht mit Größenwahn, "Don't Look Back In Anger" verwandelt jede Halle in einen Mega-Chor. Zum Abschluss gab es eine fetzige Version von "I am The Walrus" der Beatles. Passend, denn bei diesen Vorbildern haben sich Oasis schließlich stets gut bedient. Aber das ist eine andere Geschichte.