Eine filmische Diplomarbeit, die die Aktion eines Graffiti-Vandalen beinhaltet, sowie eine Studentin, die im Rahmen einer Projektarbeit einen psychotischen Anfall vortäuschte, sich von Passanten vom scheinbar geplanten Selbstmord abhalten und anschließend ins Krankenhaus einliefern ließ, ließen die Gemüter in den vergangenen Tagen und Wochen ordentlich hochgehen.

Debatte. Die Debatte erhielt ihre jetzige Dimension erst, als die konservative Kunstministerin Lena Adelsohn Liljeroth vergangenen Freitag auf der Stockholmer Kunstmesse den Film "Territorial Pissings" des Graffiti-Künstlers NUG sah und darauf empört reagierte. In dem zweiminütigen Film ist zu sehen, wie ein maskierter Sprayer die Fensterscheibe eines augenscheinlich im normalen Verkehr stehenden U-Bahnwaggons einschlägt, durch das Fenster springt und den Innenraum des Waggons vor den Augen verdutzter Passagiere besprüht.

Reaktionen. Die Ministerin bezeichnete in ihrer Reaktion Graffiti als "von Natur aus illegal". Sie sei "außerordentlich verärgert" über den Film. Kurz darauf kündigten die Stockholmer Verkehrsbetriebe eine Anzeige an und schätzten den Schaden der im Film gezeigten, bisher offenbar nicht anderwärtig dokumentierten Aktion auf ungefähr 100.000 Kronen (knapp 10.000 Euro). Bisher ist unklar, inwieweit der gefilmte Vorfall tatsächlich authentisch ist oder nachgestellt wurde.

"Wegbereiter". Der unter dem Pseudonym NUG malende Künstler hatte bereits im vergangenen Frühjahr mit "Territorial Pissings" als Diplomarbeit die Kunstuniversität in Stockholm abgeschlossen. Er hat sich bisher nicht an der Diskussion beteiligt. NUG gilt in internationalen Graffiti-Kreisen sowohl stilistisch als auch im Umgang mit multimedialen Mitteln als Wegbereiter.

Uni distanziert sich. Die Leitung der Uni distanzierte sich von einer möglichen kriminellen Handlung beim Zustandekommen der Arbeit, betonte aber gleichzeitig in einer Presseaussendung, dass dem früheren Studenten der Magistertitel auch dann nicht aberkannt werden kann, sollte ihm im Zusammenhang mit dem Video ein Gesetzesbruch nachgewiesen werden. Die Arbeit als solche sei von ihrem Inhalt her positiv beurteilt worden und somit unabänderlich.

Zweiter Fall. Bei dem zweiten umstrittenen Fall handelt es sich um ein Projekt der auf der Konstfack studierenden Künstlerin Anna Odell. Sie täuschte vor rund einem Monat auf offener Straße in Stockholm einen psychotischen Anfall vor und drohte von einer Brücke zu springen. Passanten boten ihre Hilfe an, die herbeigerufene Polizei brachte die scheinbare Patientin ins nächstgelegene Krankenhaus. Dort erst gab sich Odell als Performance-Künstlerin zu erkennen. Nach rund einer Woche zeigte der Psychiater Fredrik Bengtsson die Kunsthochschule bei der Volksanwaltschaft an.

In den Foren geht's rund. In mehreren Internet-Foren wogt seither eine intensive Diskussion, an der sich auch der Chef der Notaufnahme im St.Göran-Krankenhaus beteiligte, in das die Studentin am 21. Jänner eingeliefert worden war. Während der Oberarzt die Aktion scharf verurteilte und Odell dazu riet, sich "die Haare zu schneiden und sich eine Arbeit zu suchen", stellte sich ihre Universität demonstrativ hinter die Aktion. Die Studentin entschuldigte sich - ebenfalls via Internet - für die Täuschung und rief jene, die ihr zur "Hilfe" geeilt waren, auf sich zu melden, damit sie sich persönlich bedanken könne.

Präsentation. Odell will ihre Aktion im Rahmen einer Installation im Mai dieses Jahres öffentlich präsentieren und erst dann inhaltlich darauf eingehen. Sie betrachte es aber aus einer "sozialen, mentalen und rein menschlichen sowie massenmedialen Perspektive interessant", was sich derzeit in den Medien abspiele, so die Kunststudentin in dem beliebten öffentlichen Blog "Newsmill".