Vor kurzem erst habe ich einen Vertrag unterschrieben. Ich komme als ORF-Generaldirektor also wirklich nicht in Frage." Ganz vehement dementierte am Dienstag Andreas Rudas, seit Jahresbeginn Vorstand der internationalen RTL-Group, im Gespräch mit der Kleinen Zeitung jegliche Ambitionen, als neuer Chef ins ORF-Zentrum am Wiener Küniglberg einzuziehen.

Firmensitz verlegen. Diese Adresse soll ohnehin bald Vergangenheit sein: Generaldirektor Alexander Wrabetz will dem zuständigen Stiftungsrat vorschlagen, den Firmensitz nach St. Marx zu verlegen. Auf dem ehemaligen Schlachthof entstehend gerade ein neues Medienzentrum.

Politisch angezählt. Noch waltet die Geschäftsführung unter Generaldirektor Alexander Wrabetz ihres Amtes, doch kaum jemand in der medienpolitischen Szene wettet auch nur einen Cent auf den Verbleib der aktuellen Führung bis zum Vertragsende im Dezember 2011. Auch wenn der ORF als Stiftung eingerichtet ist und sich quasi selbst gehört: Nach der österreichischen Realverfassung ist das größte heimische Medienunternehmen mit einem Umsatz von rund einer Milliarde Euro fest im Würgegriff der Parteien.

Kritik. Anlässe für Zurufe aus den politischen Wandelgängen gab es zuletzt viele: Jüngst stellte der Rechnungshof mangelndes Kostenbewusstsein fest und kritisierte "ineffiziente Organisationsstrukturen". Die Rechnungshofprüfung betraf vor allem die letzten Jahre von Generaldirektorin Monika Lindner, was Wrabetz aber auch kein Trost sein kann: Er war damals der Kaufmännische Direktor im Unternehmen. Und Ende 2008 explodierte ihm das Defizit auf 100 Millionen Euro, weil jene Anlageerträge ausgeblieben sind, mit dem bisher das im operativen Geschäft erwirtschaftete Defizit noch ins Budgetplus gedreht werden konnte.

Neue und alte Namen. Der lauteste "Weg mit Wrabetz" -Rufer ist zur Zeit Niederösterreichs Landeshauptmann und ÖVP-Obmann Erwin Pröll. Prompt tauchen diverse Namen von möglichen Nachfolgekandidaten auf: Allen voran die bei bisherigen ORF-Wahlen gescheiterten Herren Helmut Brandstätter, Rudi Klausnitzer und Hans Mahr. Hinter vorgehaltener Hand wird getuschelt, die Raiffeisen-Gruppe (die mit dem ORF gemeinsam die Sendertochter ORS betreibt) bringe "Profil"-Herausgeber Christian Rainer als Kandidaten für den Chefposten in Stellung. Bei einer möglichen Besetzung aus dem Haus fallen die Namen des TV-Chefredakteurs Karl Amon und der Wiener ORF-Landesdirektorin Brigitte Wolf.

Gesetzgeber gefordert. Bevor die Köpfe an der Spitze ausgetauscht werden, ist aber der Gesetzgeber gefordert. Ende April wird die EU-Kommission ihren Prüfbericht über den ORF, den öffentlich-rechtlichen Auftrag und dessen Finanzierung an die österreichische Bundesregierung übermitteln. Mit den Brüsseler Vorgaben will Medien-Staatssekretär Josef Ostermayer bis Sommer eine Novelle des ORF-Gesetzes vorlegen und so die Grundlagen für ein neues ORF-Kontrollgremium schaffen. Denkbar wäre ein zweigeteilter Stiftungrat: da ein kleiner Aufsichtsrat, dort eine Art "Fernsehrat" wie beim ZDF. Gewitzte Beobachter interessiert der Bestellvorgang: Wenn unabhängige Aufsichtsräte gewollt sind, müssten sie vom Hauptausschuss des Parlaments mit Zweidrittelmehrheit bestellt werden. Und nicht wie bisher von Regierung, Parteien und Ländern.