Bevor wir über Ihre neue CD sprechen das Aktuellste: Es ist ja kein Geheimnis, dass Sie nicht gerade ein Groupie von George Bush sind: (Schneider lacht laut auf) Was erwarten Sie sich denn von der Zeit nach ihm?
Helen Schneider: Ich hoffe auf komplette Veränderung und setze große Hoffnung auf Barack Obama. Wie wir Amerikaner zuletzt die wichtigsten Themen von Gesundheit über Ökologie bis Bildung behandelt haben und unsere politischen Partner oder Gegner, das ist eine Schande.

Manche mutmaßen, Obama liege in den Umfragen nur so weit vorn, weil viele Amerikaner nicht wagen zuzugeben, dass ein Schwarzer für sie unwählbar ist.
Schneider: Ich weiß, aber ich hoffe, das spielt keine so große Rolle mehr, wir haben gegen den Rassismus doch einiges weitergebracht in den USA.

Ja, Martin Luther King hatte einen Traum . . . Auch Ihr neues Album heißt "Dream A Little Dream", dazu "I Only Have Eyes For You" oder "In My Solitude" - alles Sehnsuchtssongs. Welchen Traum haben denn Sie?
Schneider: Der große ist der der meisten: Frieden in der Welt. Man muss ja wie ich zur Pazifistin werden, wenn man sieht, wie wir miteinander umgehen. Der kleine Traum? Besteht aus tausenden. Auch wenn ich, neben Problemen, die jeder kennt, viel Glück gehabt habe im Leben.

Auf der neuen CD wenden Sie sich nach dem wunderbaren "Like A Woman" wieder deutlich hin zum Jazz. Und ewig lockt das "American Songbook"?
Schneider: Man ist kein Amerikaner, wenn einem diese Lieder nichts bedeuten. Die Songs von George Gershwin & Co waren die Popmusik meiner Mutter. Ich sehe sie noch vor mir, singend und sich selbst am Klavier begleitend, da war ich 6, 7 Jahre alt.

Ursprünglich sind Sie ja als Klassik-Pianistin ausgebildet: Muss man sich das heute noch so vorstellen: Abends singen Sie Cole Porter, morgens spielen Sie Bachs "Wohltemperiertes Klavier"?
Schneider: Naja, schon so, es gibt ja keinen Grund, sich in eine Schublade stecken zu lassen. Ich beschäftige mich gerade mit Chopin, das ist wie Meditation. Und dann arbeite ich weiter an meinem Charles-Ives-Projekt, mit seinen genial einfachen Liedern auch eines meiner Babys.

Sie sind eine wahre Globetrotterin, leben aber seit fast zwei Jahren in Berlin: Haben Sie das Gefühl, nun angekommen zu sein?
Schneider: Ach, wissen Sie, ich bin im Herzen eine Zigeunerin und an vielen Orten daheim. Momentan bin ich sehr zufrieden. Die Atmosphäre Berlins erinnert mich ein wenig an das New York der 80er-Jahre. Zuvor lebte ich mit meinem Mann fünf Jahre in Südfrankreich, zwischen Avignon und Arles. Die Gegend hat mich eine neue Lebensqualität gelehrt, die Langsamkeit vor allem, das hat schon gut getan.

Sie sagen: "Auf der Bühne fühle ich mich wie im Sandkasten". Egon Schiele schrieb in einem seiner Gedichte: "Ich ewiges Kind". Sind Sie auch ein ewiges Kind?
Schneider: Teilweise ja. In der Unterhaltungsbranche nutzt es durchaus, ein unschuldiges Gefühl zu haben und offen zu bleiben. Alles ist ein Spiel. Steckt eine Botschaft drin - gut. Wenn nicht - auch gut. Als ganz junger Mensch versucht man ja, möglichst erwachsen zu sein. Später habe ich dann gern Clowns um mich versammelt, um mich selbst nicht zu ernst zu nehmen.

Picasso behauptete ja auch, er habe sein ganzes Leben lang gebraucht, um wieder wie ein Kind zeichnen zu können.
Schneider: Es gibt auch für mich diese Sehnsucht nach Einfachheit, darum, wieder eine Basis zu finden mit nicht zu viel Kram rundherum. Weniger ist tatsächlich oft mehr. Man sagt immer, der Kreis schließt sich. Ich würde es eher Spirale nennen, weil man natürlich hofft, sich vom Niveau her nach oben zu entwickeln.