Auf Seite 334 bringen es Nora und Stefan Koldehoff auf den Punkt: "Wenn ein Museumsdirektor dringend mal wieder eine publikumsträchtige Ausstellung nötig hat, greift er in der Regel auf Miro, Chagall oder Dali zurück. Ihre Werke funktionieren immer, weil sie so wunderbar dekorativ sind und den Besuchern trotzdem den Eindruck vermitteln, sie gehörten zu jenen progressiven Kunstkennern, die keine Angst vor der Moderne kennen." Kunst, zumal moderne, sei zu allererst Show - sowohl seitens der Produzenten wie der Konsumenten, meinen die Autoren. In seinem Buch "Wem hat van Gogh sein Ohr geschenkt?" gibt das Ehepaar Tipps für den Small Talk über Kunst.

Was Sie wissen müssen. Der Untertitel "Alles, was Sie über Kunst nicht wissen" zeigt, dass sich die beiden Kunsthistoriker selbst nicht ganz so ernst nehmen. So erfahren die Leser, dass mit Rembrandt für Zahncreme, mit Goya für Software und sowohl mit Gauguin wie mit Michelangelo für Fahrradwandhalter geworben wird. Von allen toten Malern ist van Gogh der Star unter den Werbeträgern: Strauchrosen, Pflegekosmetik, Tintenroller, Ölfarben, Auto-Hifi-Verstärker, Wodka, Schokolade, Füllfederhalter und Aquarellmalkästen machen mit ihm Reklame.

Linkshänder. Das Buch enthält eine Fülle von Details, die jedoch vor allem für Anekdoten taugen. Wer an Syphilis gestorben ist, kann ebenso nachgeschlagen werden wie Details zu den Kanzlerporträts in Berlin oder die beliebtesten Waffen von Kunstschändern (Hammer und Säure sind üblich, Kaugummi führt ein Schattendasein). Dass Kunsträuber gern Volkswagen als Fluchtwagen benutzen, war einer größeren Öffentlichkeit sicher nicht geläufig, aber wohl auch egal. Und dass viele große Künstler, von Dürer über Michelangelo. Leonardo da Vinci, Adolf Menzel und Caspar David Friedrich bis hin zu Jörg Immendorff Linkshänder waren, ist nicht wichtig, aber irgendwie doch interessant.

Pragmatiker. Allein das Kapitel "Worte, Letzte" ist das Buch schon wert. Wer wusste schon, dass ausgerechnet die letzten Worte von Salvador Dali, dem Maler der "zerrinnenden Zeit", lauteten: "Wo ist meine Uhr?". Dass sich Alberto Giacometti so sehr irrte, als er "Bis morgen" sagte oder dass Arshile Gorky 1948 "Goodbye, meine Lieben" auf ein Stück Holz kritzelte, bevor er sich erhängte. "Wie schade", möchte man mit den letzten Worten Paula Modersohn-Beckers sagen. Große Worte hinterließen Käthe Kollwitz ("Lasst mich gehen. Meine Zeit ist um") und erst recht Leonardo da Vinci ("Ich habe Gott und die Menschen beleidigt, da meine Werke nicht so geworden sind, wie sie sein könnten."). Antoine Watteau muss da als Pragmatiker gelten. Als 1721 ein Geistlicher dem Sterbenden ein Kruzifix in die Hand drückte, soll er nur noch gemurmelt haben: "Wie konnte ein Künstler die Züge des Herrn nur so schlecht darstellen?"

Lexikonformat. So kurzweilig das Buch zum Teil auch ist - allzu viel Tratsch und "unnützes Wissen" über Kunst, Künstler, Kunstliebhaber und den Kunstmarkt kann auch ermüdend sein. Doch zum Glück ist das Werk der Koldehoffs im Lexikonformat angelegt. Da es also keinen roten Faden gibt, kann man es jederzeit weglegen und nach einer Weile ohne Anschlussprobleme wieder vorholen.