Sie schreiben in Ihrem neuen Krimi: "Jeder Mensch kann zum Mörder werden." Was könnte Sie zum Mörder machen?
CHRISTOPH WAGNER: Naja, wenn jemand wirklich schlecht kocht . . . nein (lacht) - wahrscheinlich könnte mich nichts zum Mörder machen, weil ich Krimis schreibe und da meine ganze kriminelle Energie loswerde.

"Gefüllte Siebenschläfer" handelt davon, dass mit Event-Tourismus den einfachen Fischern zunehmend die Lebensbasis entzogen wird. Darf man Ihren Roman als Kritik an Event-Kultur oder Event-Tourismus verstehen?
WAGNER: Ja, unbedingt. Das Buch kann man auf verschiedenen Ebenen lesen: als amüsanten Krimi über die Apicius-Küche (Anm.: Apicius ist der römische Autor der ältesten Rezeptsammlung der Welt), gespickt mit dem Lokalkolorit des adriatischen Küstenlandes, aber es hat auch diese kritische Komponente. Mich ärgert die Verdisneylandisierung urtypischer Landschaften. Ich urlaube seit zwanzig Jahren in Grado und habe gesehen, wie das wunderschöne alte Grado langsam ausgehöhlt wurde.

Ihr "Held" ist ein Archäologe. Ist das so etwas wie ein unerfüllter Berufswunsch von Ihnen?
WAGNER: Ich habe mir mein Studium mit Latein-Nachhilfestunden finanziert, da war ich immer sehr gut darin. Diese Begabung habe ich an meine Tochter weitergegeben, sie hat unter anderem Archäologie studiert - was mir beim Schreiben eine große Hilfe ist. Meine andere Tochter hat übrigens Philosophie studiert, ich habe also zwei Fachfrauen als Unterstützung.

Aber natürlich geht es bei Ihnen viel um das Essen. Es fällt überhaupt auf, dass Krimi und Küche immer öfter eine symbiotische Beziehung eingehen . . .
WAGNER: Ja, das boomt seit Johannes Mario Simmels "Es muss nicht immer Kaviar sein". Ich wollte ja eigentlich weg vom Essen, weil diese Fresskrimis fast inflationär sind, aber mein Verleger hat gemeint, gerade von mir wollen die Leute einen gastrophilosophischen Krimi lesen. Und es ist ja nicht alles appetitlich, was bei mir gekocht wird.

Wenn Sie das schon ansprechen: Ich bin mir nicht sicher, ob ich Siebenschläfer essen würde. Ich nehme an, Sie haben sie gekostet?
WAGNER: Selbstverständlich. Es hat sich herumgesprochen, dass ich ein Buch über die Apicius-Küche schreibe, für die Römer war der Siebenschläfer ja eine Delikatesse. Da hat mir ein Freund erzählt, dass in Slowenien und Kroatien die Siebenschläfer sechs Wochen im Jahr gejagt werden dürfen. Der Koch der "Villa Astra" in Lovran hat sie dann für mich gekocht, aber ich bin noch nicht draufgekommen, wo da der feinschmeckerische Kick steckt.

Dafür tischen Sie einige erzählerische Schmankerl auf, darunter jenes, dass Papst Benedikt XVI. immer Strümpfe aus Muschelseide in einer Tabakdose mit sich herumträgt, um sie zur Hand zu haben, wenn ihn der Ischias quält.
WAGNER: Ich bin ein Sammler von volkskundlichen Kuriositäten. Ich glaube, auf die Strümpfe bin ich im Rahmen meiner Recherchen für meinen ersten Krimi gestoßen. Am jetzigen habe ich fünf Jahre geschrieben, also auch noch zu Zeiten von Papst Johannes Paul II. Dass in der Zwischenzeit Joseph Ratzinger Papst geworden ist, gibt dieser Anekdote mehr Gewicht.

Wie würde eigentlich Ihr perfekter Mord aussehen?
WAGNER: Wenn genug Menschen den neuen Krimi kaufen, gibt´s keinen Grund für einen Mord. (lacht). Nein, im Ernst: Ich glaube, der perfekte Mord ist eine Illusion. Je glatter etwas abläuft, desto angreifbarer wird es in Wahrheit. Irgendeine Spur hinterlässt man eben immer.