Sie verlassen völlig überraschend ein florierendes Unternehmen. Warum?

PIRKER: Der Grund liegt darin, dass sich die Auffassungen über die zukünftige Ausrichtung der Styria-Media-Group AG zwischen dem Aufsichtsrat und dem Vorstand, insbesondere mir als dem Vorstandsvorsitzenden, in den letzten Monaten zunehmend auseinander entwickelt haben. Wir konnten letztlich keine gemeinsame Linie mehr finden. Die Trennung war der konsequente Abschluss dieser Entwicklung.

Was waren die strategischen Konfliktpunkte?

Das möchte ich jetzt nicht detaillieren. Das ist ein sensibles Gut für diese Unternehmensgruppe und wir wollen ja alle miteinander und ich ganz besonders, dass sich diese Unternehmensgruppe auch in Zukunft gut weiterentwickelt. Ich glaube, das ist auch das Interesse der Eigentümervertreter im Aufsichtsrat. Auch sie wollen, dass die Styria sich gut weiterentwickelt. Aber die Auffassungen darüber, wie das zu bewerkstelligen ist, die sind eben unterschiedlich.

Stimmt es, dass es auch unterschiedliche Risikoeinschätzungen über den Neubau des Styria-Medienhauses in Graz gegeben hat?

Ja, es stimmt, dass es auch hier unterschiedliche Einschätzungen gegeben hat, aber das ist sicher nur ein Teil des Gesamtgefüges.

Sie verlassen das Unternehmen nach 25 Jahren Betriebszugehörigkeit. Wieviel Bitterkeit schwingt da mit?

Es ist ein Abschied, der schwerfällt, dessen positive Seiten ich aber gut erkennen kann. Das Wertvollste, was man zurück lässt, sind die Beziehungen mit den Mitarbeitern.

Sie standen als Vorstandsvorsitzender über zehn Jahre an der Spitze dieses Unternehmens. Wie übergeben Sie das Haus?

Ich habe es damals in einer relativ schwierigen Situation übernehmen dürfen. Heute ist die Styria in einem Zustand, den man als mehr als nur stabil bezeichnen kann. Die Styria steuert auf das beste Ergebnis der Unternehmensgeschichte zu. Die Umsätze haben sich in den letzten Jahren vervielfacht, was nicht ganz typisch ist für den Medienbereich. Aber all diese Kennzahlen zusammen zählen nicht so viel wie das, was wir in dieser Zeit an journalistischer Vielfalt gewonnen haben. Wir haben nicht wie damals nur eine Tageszeitung, sondern neun. Wir haben nicht nur eineinhalb Wochenzeitungen, sondern sind an ungefähr 50 beteiligt. Wir haben ein Magazin-Portfolio, Radios und eine Reihe digitaler Angebote. Die Styria von heute hat nicht mehr viel gemein mit der Styria von damals. Was sie noch gemeinsam hat, sind die Grundsätze und den Glauben an die journalistische Unabhängigkeit. Die Styria ist heute ein interventionsfreier Raum. Nicht nur ich habe, wie Sie wissen, nicht interveniert, zu mir ist niemand mehr gekommen. Man hat die Aussichtslosigkeit solcher Interventionen gekannt.

Was war Ihr schönster Erfolg?

Da gibt es ein paar. Einer war das Rückerobern der Nummer 1 Position in der Steiermark. Die Kleine Zeitung war ja 16 Jahre lang Nummer 2 und dieses Rückerobern ist uns im Jahr 1992 geglückt. Der zweite Meilenstein war sicher der erste Schritt ins Ausland, als wir in Kroatien die größte Tageszeitung, Vecerni List, übernommen haben.

Sie sprechen die Internationalisierung des Konzerns an.

Ja, das Gehen über die Grenzen hinaus. Das war zwar redaktionell immer gelebt, unter Fritz Csoklich mit seinen Beilagen über die Nachbarn in Slowenien, in Kroatien. Dieser geistigen, intellektuellen Internationalisierung ist dann eben auch eine verlegerische gefolgt. Ein großer Schritt war auch das Übernehmen aller Anteile der "Presse" in Wien, auch wenn das eine durchwachsene Zeit war. Aber jetzt im Moment stehen die Zeichen der Entwicklung sehr positiv. Der größte Erfolg aber bleibt die Kleine Zeitung. Sie ist Weltklasse.

Wie sehen Sie Ihre Zukunft?

Mir persönlich wird diese Zäsur, glaub ich, gut tun. Ich möchte mich bis Jahresende erholen und danach die Weichen stellen. Ich möchte die Trennung in Ruhe verarbeiten. Es war ein großer emotionaler und körperlicher Aufwand, sich für diese Zäsur zu entscheiden. Was immer ich dann tun werde, werde ich aus Leidenschaft tun, nicht des Geldes oder der Macht wegen.

Wollen Sie Unternehmer werden?

Diese Sehnsucht war immer da.

Im nächsten Jahr wird die Geschäftsführung des ORF neu bestellt. Interessiert Sie das?

Ich war ja schon einmal gebeten, mich da zu engagieren. Der ORF war für mich nie eine Option. So, wie er sich jetzt darstellt, ist er auch in Zukunft keine.

Können Sie sich eine aktive Rolle in der Politik vorstellen?

Nein, ich glaube, aus mir würde kein guter Politiker.

Sie haben viele Jahre die Geschicke der Kleinen Zeitung geleitet, wie sehen Sie Ihre Zukunft?

Die Kleine Zeitung ist eine der am besten aufgestellten Zeitungen und ich habe wirklich einen guten internationalen Überblick. Die große Herausforderung ist die Digitalisierung. Es gibt noch kein Medienunternehmen verlegerischer Herkunft, das darauf eine nachhaltige Antwort hat. Um diese Herausforderung werde ich mich sicher auch in Zukunft geistig zu kümmern versuchen.

Sie haben immer gesagt, Sie hätten eine "erotische Beziehung" zu Zeitungen. Wird die jetzt abkühlen?

Nein, überhaupt nicht.

In welcher Gemütslage werden Sie in der Früh Zeitung lesen?

Ich habe immer Zeitungen als Leser gelesen, nicht als Verleger oder Machthaber. Das wird sich nicht ändern. Meine Liebe zu Papier und Druckerschwärze wird nie verloren gehen.