Bei den Rumänen übt ein Blasorchester, die Holländer arrangieren Keramikschafe. Japan simuliert einen Feueralarm, in Marokko werden Türen geschnitzt, pakistanische Teppichhändler packen ihre Ware aus. Die Österreicher putzen Fliesen, die Schweizer erklären chinesischen Kellnern, was ein Rösti ist, und die Neuseeländer suchen fieberhaft nach einem neuen "L" für ihren Namenszug, weil das alte zerbrochen auf dem Boden liegt.

Am Tag vor der Eröffnung geht es auf dem Gelände der Schanghaier Weltausstellung zu wie auf einem Zirkusplatz kurz vor der ersten Vorstellung. Tausende Helfer aus aller Herren Länder bemühen sich, die Miniaturen ihrer Heimat rechtzeitig fertig zu bekommen.

Chinas Expo will all ihre Vorgänger in den Schatten stellen und in den kommenden sechs Monaten mindestens 70 Millionen Menschen auf das Gelände am Huangpu-Fluss locken. Ein logistisches Extremprojekt, das noch weitaus komplexer ist als die Organisation von Olympischen Spielen. "Wir rechnen damit, dass die Menschen bei jedem Pavillon zwischen einer und drei Stunden anstehen müssen", sagt der stellvertretende Expo-Leiter Huang Jianzhi. Selbst die größten Attraktionen sind nur für einen Bruchteil der Gesamtbesucherzahl ausgelegt. Von den 400.000 Besuchern, die an einem durchschnittlichen Tag erwartet werden, können höchstens 50.000 den China-Pavillon sehen. Die Ausstellung im Österreich-Haus können bis zu 12.000 Menschen besichtigen. Wer alle 192 beteiligten Länder besuchen wollte, bräuchte einen Monat.

China-Pavillon überstrahlt

Kein Wunder, dass die meisten Länder ihre Kernbotschaften architektonisch verpackt haben, von außen für alle zu sehen. Zentrum der Anlage ist der mächtige rote Nationaltempel der Chinesen, die sich das Recht vorbehalten, mehr als dreimal so hoch zu bauen wie alle anderen Länder. In seinem Innern verbirgt sich eine Ausstellung chinesischer Kunstschätze. Auf einer über hundert Meter langen Projektionswand lassen Animationen das alte China wieder auferstehen. In kleinen Wagen durchfahren die Besucher die Baugeschichte. "Hier kann man erleben, was für ein großes, mächtiges Land China ist," sagt ein Handwerker, der an riesigen Pappmascheebäumen letzte Farbtupfer anbringt.

Daneben wirken die Gebäude anderer Länder wie ein großes Spiel nationaler Klischees, Identitäten und Wunschbilder. Nepal hat einen Tempel nachgebaut, der Iran einen persischen Palast. Die Arabischen Emirate präsentieren sich in der Form von Sanddünen. Bei den Schweizern fährt man mit dem Sessellift aufs Pavillondach und schwebt über eine Alpenlandschaft. Dänemark hat die Kleine Meerjungfrau aus Kopenhagen nach Schanghai transportiert und ins Zentrum eines spiralförmigen Gebäudes gesetzt, auf dessen Dach die Besucher Fahrrad fahren können.

"Wir wollen bei den Besuchern einerseits die Bilder abrufen, die sie schon im Kopf haben, und ihnen andererseits viele neue Bilder mit auf den Weg geben", sagt Birgit Murr, österreichische Expo-Konsulin. Um die Chinesen bei ihren mitgebrachten Vorstellungen abzuholen, treten Schauspieler in Kostümen von Sisi, Mozart und Strauß auf. Auch Tourismus-Idylle kommt vor: Besucher können echten Schnee auf einen künstlichen Gletscher werfen - oder einander ins Gesicht. Damit es nicht bei den Klischees bleibt, bieten andere Räume eine interaktive Mischung aus Naturschönheit und Hightech.

Gemeinsame Klammer aller Auftritte ist das Expo-Motto "Bessere Stadt, besseres Leben". Ein treffender Slogan: Schanghai symbolisiert den Fortschrittstraum des bevölkerungsreichsten Landes der Erde - doch von "Gute Stadt, gutes Leben " ist die 20-Millionen-Einwohner-Metropole weit entfernt. Umweltverschmutzung, Verkehrschaos und hässliche Hochhausschluchten dominieren das Stadtbild. "Bei Nacht ist Schanghai schön, weil es dann ein Lichtermeer ist, aber unsere Herausforderung besteht darin, Schanghai auch bei Tag schön zu machen", sagt Wu Zhiqiang, Chefplaner des riesigen Expo-Geländes. "Die Expo soll zeigen, wie die Stadt der Zukunft aussehen kann."

Umweltsünde

"Wir wollen ein Beispiel für moderne, menschenfreundliche Stadtplanung zeigen und hoffen auf einen Nachahmungseffekt im ganzen Land." Es ist leicht, Wus Optimismus zu widersprechen. Kritiker monieren, dass die Expo ein Prestigeprojekt ist, das sich Umweltschutz und Nachhaltigkeit zwar auf die Fahnen schreiben mag, aber für das Gegenteil steht. Fast alle Gebäude müssen nach sechs Monaten wieder abgerissen werden. Schon für die Eröffnung haben die Chinesen eine Ökosünde der Superlative geplant: Heute soll das größte Feuerwerksspektakel aller Zeiten stattfinden, mit über 100.000 Feuerwerkskörpern und tausend 7000-Watt-Scheinwerfern.