In seidenen Fesseln stöhnt die "Queen Bee", die Bienenkönigin, die Brustwarzen erregt von goldenen Klammern, derweil ihres Liebsten Zunge in Gefilden spielt, an die zu denken einen erröten lässt. Bee ist die Geliebte von Talbot Bingham, einem erfolgreichen Architekten, der mit Priscilla verheiratet ist. Seine gefühlskalte Frau erfährt erst nach seinem frühen Tod aus versteckten Briefen, dass Talbot ein Doppelleben führte. Am Ende der erotischen Romanfantasie "Obsession" nähern sich Bee und Priscilla, bis sie sich, im Stil von Arthur Schnitzlers "Reigen", endlich auf einem Maskenball treffen.

85-Jährige "mit Obsession"

Noch aufregender als "Obsession" ist die Autorin: Gloria Vanderbilt, die 85-jährige Erbin der New Yorker Vanderbilt-Dynastie Die rothaarige Schriftstellerin will mit ihrem Roman die "Geschichte der O. beiseitefegen", wie sie einer Klatschreporterin anvertraute, aber auch ein bisschen "Der Teufel trägt Prada" stecke darin. Die New York Times konstatierte jedenfalls: "Das heißeste Buch, das jemals von einer Frau um die 80 geschrieben wurde".

Die Dynastie der Vanderbilts geht bis zur holländischen Kolonialzeit zurück. Cornelius "Commodore" Vanderbilt, 1794 geboren, gründete ein Dampfboot-Imperium, seine Kanonenboote jagten im Bürgerkrieg Blockadebrecher der Konföderierten. Als in Kalifornien Gold gefunden wurden, brachten Vanderbilts Dampfer Tausende Schürfer an die Westküste. Dann wandte er sich der Eisenbahn zu. Er etablierte die erste Linie von New York nach Chicago. Als er mit 82 Jahren starb, war er der zweitreichste Mann Amerikas nach John D. Rockefeller.

Gloria Vanderbilt, seine Ururenkelin, wurde 1924 geboren. Kurz darauf starb ihr Vater an Leberzirrhose. Ihre Mutter Morgan reiste mit dem Kind und ihrer Schwester Thelma nach Paris und Biarritz. Thelma begann eine Affäre mit Edward VII., dem Prince of Wales, während sich Morgan mit Prinz Gottfried zu Hohenlohe vergnügte. Das Trio lebte von dem Erbe des Kindes. Als Gloria zehn Jahre alt war, klagte ihre Tante vor einem New Yorker Gericht das Sorgerecht ein. Es war der Skandalprozess der 30er-Jahre, mit zahllosen Reportern im Gerichtssaal, die sich um das "arme reiche Kind" drängten. Als Glorias Großmutter ihre eigene Tochter Morgan eine "untaugliche Mutter" nannte, war der Prozess entschieden. Das kleine Mädchen wuchs bei der Tante in Long Island auf.

Gloria ging in eine exklusive Mädchenschule, danach studierte sie Kunst in New York. Aber schon früh erwies sie sich als genauso abenteuerlustig wie ihre Mutter: Mit 17 Jahren heiratete das hübsche Mädchen das erste Mal, den Hollywood-Agenten Pasquale de Cicco. Es folgten Ehen mit dem Dirigenten Leopold Stokowski, dem Regisseur Sidney Lumet und dem Autor Wyatt Emory Cooper, dem sie zwei Söhne gebar. Einer davon stürzte sich als junger Mann vor ihren Augen aus ihrem Apartment im 14. Stock am East River. Der andere, Anderson Cooper, ist heute Reporter bei CNN und sagt über den Roman seiner Mutter: "In ihrem Alter soll sie schreiben, was sie will, überraschen kann sie mich ohnehin nicht mehr".

"Männer machen Spaß"

"Nichts auf der Welt macht so viel Spaß wie Männer", lautet(e) das Credo von Gloria, Vorbild für Truman Capotes unvergessliche Holly Golightly in "Frühstück bei Tiffany". Und ihren Spaß hatte sie: Mit dem exzentrischen Milliardär Howard Hughes, mit Gene Kelly, Marlon Brando, Roald Dahl und Frank Sinatra. Und sie schockierte die New Yorker Society, als sie in den 50ern eine Affäre mit dem schwarzen Dichter Gordon Parks anfing: "Auch für mich war das eine fremde Welt", erzählt sie der New York Times. "In Long Island, wo ich aufwuchs, gab es ja überhaupt keine dunkelhäutigen Menschen".

Autoren-Kollegin Joyce Carol Oates lobt Vanderbilts Buch als "bemerkenswerten Roman mit erotischen Geheimnissen, die - vergeblich - zur Entschlüsselung verlocken". Also ist "Obsession", das noch im Jänner auf Deutsch als "Die Bienenkönigin" erscheint, autobiographisch? "Natürlich nicht", betont Gloria Vanderbilt, die sich auch als Schauspielerin, Malerin und Designerin für Mode, Porzellan und Parfüm versuchte. "Niemand in dem Buch war Teil meiner Vita, es ist alles Fantasie". Wobei ihr auch im echten Leben die Fantasie nie ausginge: Das Geheimnis ihres jugendlichen Aussehens und Elans sei schlicht "die Liebe", sagt die 85-Jährige. Und sie suche immer noch. "Jemanden, der warmherzig ist und etabliert. Und eine Jacht wäre nett".